Weser-Report bald türkisch

Das Anzeigenblatt hat den Zuschlag bekommen: Ab September erscheint im KPS-Haus monatlich ein türkischsprachiges Anzeigenblatt

Noch hat die Nullausgabe keinen Namen. Trotzdem steht fest: ab September verlegt der Bremer Weser-Report ein türkisches Monatsblatt. Dessen künftiger Chefredakteur Axel Schuller spricht zwar kein Türkisch, doch die Texte der ersten Ausgabe sollen ohnehin weitgehend aus den Federn seiner deutschen Weser Report-Redaktion stammen und dann von einem vereidigten Dolmetscher ins Türkische übertragen werden. Schuller zur taz: „Das ist ein spannendes, eigenständiges Projekt. Dabei geht es nicht darum, den Weser Report zu übersetzen.“

Ein Beirat, in dem auch Behördenund Muslime vertreten seien, solle Themenimpulse geben. Das zwölf Seiten dicke Blatt mit einer Auflage von 15.000 Stück werde auf die Zielgruppe zugeschnitten – mit Lokalem, Service, Unterhaltung und „maximal“ zwei Drittel Anzeigen.

Für dieses Experiment, das auf die rund 25.000 überwiegend türkischsprachigen BremerInnen in 11.000 Haushalten abzielt, erhält der Weser Report 25.000 Euro Zuschuss an Integrationsgeldern. Das haben die Abgeordneten von CDU und SPD in der letzten Sitzung der Sozialdeputation entschieden – gegen das ausdrückliche Votum der Grünen.

„Die Ausschreibung war aus unserer Sicht nicht stimmig, die Bewerbungen nicht überzeugend“, sagt Fraktionschefin Karoline Linnert. Der SPD-Abgeordnete Frank Pietrzok meint hingegen: „Der Weser Report hat als Einziger die Kriterien der Ausschreibung erfüllt.“ Da sei die Entscheidung unter den drei lokalen Bewerbern klar gewesen. Notabene, Pietrzok selbst hatte in der entscheidenden Deputationssitzung Kritik am Ausschreibungsverfahren geübt: Die Sozialbehörde habe ohne Rücksprache mit den Abgeordneten sowohl Kriterien als auch Adressaten und Fristen festgelegt. In diesem eng gesteckten Rahmen habe kein nennenswerter Entscheidungsspielraum bestanden. Den Parlamentariern sei nur die Zustimmung geblieben – jede Neuausschreibung hätte zu Schadensersatzansprüchen führen können. Pietrzok sagt: „Das hätte in keinem Verhältnis zur Ausgabe gestanden.“ Nun ist auch er gespannt auf das Ergebnis.

Details der Planungen werden noch nicht bekannt gegeben. Die Entscheidung sei jung, außerdem Urlaubszeit, heißt es. Dennoch hat sich der Weser Report in einer „beschränkten Ausschreibung“ gegen einen Zusammenschluss von Bremer Anzeiger und Weser-Kurier sowie gegen den Dachverband der Ausländerkulturvereine in Bremen e.V. (DAB) durchgesetzt. Nach ersten Kalkulationen des Weser Report sollen die Anschubfinanzierung von 25.500 Euro und entsprechende Werbeeinnahmen für sechs bis acht Ausgaben reichen. Dann werde über das weitere Erscheinen entschieden – wobei nach „intensiven Gesprächen mit wichtigen Kunden“ realistisch sei, dass die Zeitung sich nach etwa zwölf Monaten trage. „Es wird kein Zuschussgeschäft“, betont Chefredakteur Axel Schuller. Und: Die Zustellung werde eine Herausforderung. Es gebe ja keine Adressenliste der Zielgruppe. Jetzt müssen die Zusteller des kostenlosen Weser-Report anhand von Klingelschildern quasi Leser ermitteln.

„Das hört sich vielleicht blöd an“, räumt Schuller ein – aber anderes gehe es nicht. Der Bürgerschaftsabgeordnete Pietrzok lacht: „Irgendwann bekomme ich vielleicht die polnische Ausgabe.“

Die logistischen Fragen haben das Kulturzentrum Lagerhaus dazu bewogen, sich gar nicht erst zu bewerben. Der dortige Arbeitsbereich Migranten war zwar aufgefordert worden, sich neben Weser-Kurier, Bremer Anzeiger und dem DAB um das Projekt zu bewerben. „Aber das lohnt sich nicht“, sagt Recai Aytas. „Wir haben tagelang hin- und hergerechnet.“

Auch der DAB ist nicht zuletzt an dieser Hürde gescheitert – obwohl er bereits regelmäßig die an Migranten gerichtete Stimme herausgibt und zuletzt mit vier zusätzlichen türkischsprachigen Ausgaben einer Stimme international viel Zuspruch erntete. Doch mit seiner Bewerbung überzeugte der DAB weder in logistischer noch in wirtschaftlicher Hinsicht: Um den Vertrieb zu organisieren, forderte er gleich zwei staatlich finanzierte BSHG-19-Stellen. Und zur geforderten wirtschaftlichen Prognose stand in seinem Konzept nur: „Keine Angaben“. Beobachter finden das fast tollkühn angesichts der Tatsache, dass die aus Steuermitteln bezuschusste Stimme rund acht Euro pro Exemplar kostet.

Abgelehnt wurde auch das gemeinsame Konzept von Weser-Kurier und Bremer Anzeiger: Sie wollten ein paar türkische Seiten in die Kaufzeitung Weser-Kurier integrieren. „Nicht uninteressant“ wegen der Reichweite, lautete die interne Bewertung. Doch die vom Weser Report geplante eigenständige Publikation „dürfte aus Sicht der türkischsprachigen Zielgruppe höherwertiger erscheinen“.

Nur ein Bewerber ist über die Vorgänge irritiert: Der Verlagsleiter des Bremer Anzeiger, Volker Schwennen. Hatte sein Haus doch noch im Mai Gespräche mit der SPD und dem DAB geführt – unter anderem über eine Zeitungs-Kooperation ohne Weser-Report.

Dass es wegen längst abgelaufener Fristen zu einer solchen Kooperation nicht kommen wird, hatte dem Unternehmer aber niemand gesagt.

Unterdessen erklärten SPD-Politiker, dass der Fortbestand der „Stimme“ beim DAB durch die Herausgabe der türkischsprachigen Zeitung beim WeserReport nicht gefährdet sei. ede