Moderne Verbrecherjagd über Satellit

Polizei spionierte Bernhard Falk mit GPS-Technik aus. Dagegen klagt der Ex- Linksextremist vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Verfolgung war ein „tiefer Eingriff“ ins Privatleben, sagt sein Anwalt. Regierung: GPS ist das Gleiche wie Peilsender

AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Es klingt nach Science-Fiction, aber es handelt sich um aktuelle Praxis der Polizei. Immer wieder werden Verdächtige in Deutschland mithilfe von GPS-Satellitentechnik überwacht. Gestern verhandelte das Bundesverfassungsgericht, ob derartige Maßnahmen zulässig sind. Kläger war der frühere Linksextremist Bernhard Uzun, der einst Bernhard Falk hieß (siehe Kasten).

Uzun war 1992 wegen mehrerer Mordversuche und Anschläge vom Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil stützte sich im Wesentlichen auf Ergebnisse der Polizeiüberwachung. Über zwei Monate lang war an einem von Uzun benutzten Pkw ein Sender angebracht worden. Mithilfe der GPS-Satellitentechnik (Global Positioning System) konnte die Polizei auf 50 bis 100 Meter genau den Standort des Wagens orten.

Heute sind mit GPS sogar noch genauere Ortsbestimmungen möglich – auf bis zu fünf Meter lässt sich jede Bewegung nachvollziehen. Das Bundeskriminalamt wendet diese Technik sechs- bis zehnmal pro Jahr an. Heinrich Comes, der Anwalt des Klägers, hält diese Praxis für verfassungswidrig: Es gebe für den tiefen Eingriff ins Privatleben keine Rechtsgrundlage.

Das OLG hatte bei dem Prozess gegen Uzun vor zwölf Jahren den Paragrafen 100 c der Strafprozessordnung angewandt, wonach bei langfristigen Observationen auch „technische Mittel“ benutzt werden dürfen. Anwalt Comes hielt diese Regelung für zu unbestimmt. Unterstützung bekam er vom Berliner Datenschutzbeauftragten Hansjürgen Garstka: „Die GPS-Überwachung hat eine neue Qualität, weil ein Mensch nun weltweit aufgefunden werden kann.“

Justiz-Staatssekretär Hansjörg Geiger wies dies zurück. „GPS ist ein Hilfsmittel, wie bisher schon ein Peilsender.“ Es mache keinen Sinn, jede technische Innovation ins Gesetz zu schreiben, „sonst machen wir es den Verdächtigen zu leicht“. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung wäre erst erforderlich, wenn die Polizei GPS-Sender in die Kleidung von Verdächtigen einnäht, „denn dann wäre eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung möglich“. Derartiges sei heute aber weder beabsichtigt noch unauffällig möglich.

Zweiter Kritikpunkt des Anwalts war die Häufung der Überwachungsmaßnahmen gegen Falk. „Es gab Postkontrolle, Telefon-, Videoüberwachung, persönliche Observation und dann noch die GPS-Überwachung. Das ist in der Summe eindeutig unzulässig“, so Comes.

Doch Staatssekretär Geiger blieb auch hier unbeeindruckt. „GPS wurde erst eingesetzt, nachdem mehrfach Peilsender entdeckt und entfernt wurden“, so der Regierungsvertreter. Die Videoüberwachung sei ergänzend zu GPS notwendig gewesen, „wir müssen ja wissen, wer sich ins Auto setzt“.

Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet. Beobachter rechnen nicht damit, dass das Urteil gegen Uzun aufgehoben wird. Karlsruhe könnte aber Maßstäbe für künftige Gesetze verkünden.