Gefangene im Warenwahn

Die Düsseldorfer Rheinmetallhalle wurde veredelt: Auf der Luxusmesse „Just Fine“ ergötzte sich der Geld-Adel an teuren Geschmacklosigkeiten

„Der größte Luxus ist es, sich Zeit zu nehmen – und ich bringe die Leute dazu“

AUS DÜSSELDORFBORIS R. ROSENKRANZ

Abgesehen von der schlaffen Mimik, dem trübtassigen Blick und dem Udo-Walz-Topfschnitt hat die Frau keine Probleme. Luxusprobleme vielleicht, wie viele hier in der Rheinmetallhalle, mehr aber auch nicht. Ganz in schwarz gewandet, steht sie neben einem Ferrari und klagt darüber, dass sie ihren alten Schlitten verkaufen musste. Sie hatte Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen. „Aber in den neuen Porsche“, seufzt sie zufrieden, „da komme ich jetzt ganz fantastisch rein und wieder raus.“

Düsseldorf-Derendorf, fernab von der Luxusmeile Kö. Hier, an der Rather Straße, wo der Limousinen-Fabrikant DaimlerChrysler Mercedes-Lenkungen baut, steht auch die Rheinmetallhalle. In der schmalen Fabrik wurde einst gebuckelt und geschwitzt. Heute vermietet die Rheinmetall AG das Gebäude als Lagerhalle, wenn nicht gerade wieder Weinmesse ist oder, wie am vergangenen Wochenende: die „Just Fine“, ein herrschaftlicher Event, der sich ganz und gar dem Luxus verschrieben hat. Was hier feilgeboten wird, braucht niemand. Hier gibt es Überflüssiges im Überfluss: vergoldete Hunde-Betten in Leopardenoptik (700 Euro), einen mit schwarzen Diamanten besetzten Füllfederhalter für 125.000 Euro, Plasmafernseher, für die Fußball-Schiedsrichter gerne mal ein Spiel verpfeifen (15.000 Euro), es gibt Kaviar (250 Gramm für 435 Euro) und Kaffeemaschinen, die eigentlich „chromglänzende Zubereitungsanlagen“ heißen müssten.

Sören Koch, der sich den luxuriösen Modetitel „Managing Director“ zugelegt hat, ist der Ausrichter der „Just Fine“. Koch war früher bei Porsche unter Vertrag und weiß deshalb, was der Geld-Adel schätzt: „Zum Beispiel diesen Kontrast zwischen Fabrik und Luxus“, sagt er im Messe-Café, wo Häppchen und Schlückchen serviert werden. Vom rustikalen Flair der Fabrik ist allerdings wenig übrig. Der Boden ist mit Teppich ausgelegt, die Wände wurden mit weißen Stoffbahnen aufgehübscht. Gediegenes Ambiente ist schließlich das Wichtigste, und das geht gleich am Eingang los: Die Tür wird von einem Mann gewordenen Schrank geöffnet. Am Empfang nimmt eine junge Frau im Hosenanzug 15 Euro Eintritt entgegen. Dahinter werden Mäntel sachte auf Bügel drapiert. Ab diesem Punkt ist der Besucher Teil des schönen Scheins. Wenige Schritte neben der Garderobe thront eine weiß glänzende Yacht, die aufgebockt aber nur mittelmäßig berauscht. Deshalb wurde daneben ein Plasma-Schirm aufgebaut, auf dem sich das Schiff nun wieder und wieder in schaumige Wellen gräbt. Ausgedehnte Kamerafahrten zeigen das Schiff und all seinen Finessen. Im Fernseher unter Deck läuft mal ein Bericht vom FDP-Parteitag, mal Harry Potter. Ab und an schweben sehr blonde Frauen durchs Bild, die nichts als ein Handtuch am Leibe tragen oder sich im Bikini aufs Sonnendeck gießen, während ein Ehemann seine ledrig-braune Hand an den Gashebel legt. Er Tarzan, sie Jane – so einfach funktioniert die schillernde Luxuswelt.

Im Frühling des vergangenen Jahres wurde die „Just Fine“ geboren. Im Untertitel nennt sie sich „The Place of Exellence“, das klingt edel, das spricht die weltgewandte Kundschaft an. Nach seiner Premiere in München ist der Basar inzwischen in Hamburg, Wiesbaden und passenderweise auch auf Sylt angekommen, wo er am Rande eines Polo-Turniers Käufer mit dem nötigen Großgeld anlockt. In Düsseldorf ist „Just Fine“ zum ersten Mal. Die Menschen, die hier die Waren streicheln, erscheinen zunächst verschieden: Es sind ältere Damen mit Hut und Pelz da, geschäftige Herren in Nadelstreifen, junge Yuppies, und Familien, deren vom Pomp ganz wild gewordene Kinder durch die Halle schimpansen.

Eines aber haben alle gemeinsam: Jeder hier gehört zum Typus des Flaneurs, wie er einst Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Pariser Prunk-Passagen wandelte, sich von äußeren Impulsen leiten und vom Fetisch Ware blenden ließ. Draußen könnten Bomben krachen, hier drin würden die Nasen noch immer in Weinkelchen versinken. Draußen könnten Terroristen aufmarschieren, hier drin würde noch rasch ein neuer Maybach bestellt. Neben all den Waren werden natürlich auch Dienstleistungen und Reisen angeboten. Am Stand von „Galka Golden Tours“ kann der Besucher einen Edel-Trip ins Trisara-Hotel buchen, den „dritten Garten im Himmel“. Standort: Phuket, Thailand. „Die Menschen sind skeptisch“, weiß Kathrin Bergers von GGT. Ins einstige Paradies reisen, das sich unlängst durch eine Riesenwelle in die Hölle verwandelte? Lieber nicht. Ob es zynisch ist, eine Luxusreise in ein verarmtes Land anzubieten? Bergers verneint: „Die Leute hier können ja nichts dafür, dass es anderen schlecht geht – ganz im Gegenteil: Die schaffen ja Arbeitsplätze!“ Deshalb helfe man den Leuten, wenn man dort Urlaub macht: „Wenn keiner reist, ist das quasi die zweite Welle.“

Geredet wird bei der „Just Fine“ viel, gesagt wenig. Nur einer hat sich dem Geschwurbel bislang verweigert: Cornelius Rentsch, ein Künstler aus Kiel. „Wir haben nicht zu wenig Geld, wir haben viel zu viel – nur die Verteilung wird immer extremer“, sagt Rentsch. Deshalb hat er eine Stiftung gegründet. Vom dort einbezahlten Geld bildet der Goldschmied junge Menschen aus. Ansonsten verkauft er filigrane Handarbeiten, einen Glückspfennig für 50 Euro zum Beispiel, den er in der Mitte aufgefeilt und anschließend ausgehöhlt hat. Im Innern des Pfennigs liegt jetzt ein kleines Herz. Klar, auch das braucht niemand, aber es hat Charme. Schon deshalb, weil Rentsch seine Waren nicht nur ausstellt, er preist sie an: mal stumm, mal dichtend. Auf seiner Visitenkarte steht: „Geschichtenerzähler“. Die Menschen bleiben stehen, wenn Rentsch die Kugeln und Münzen durch seine Hände gleiten lässt. Sie sind gebannt. „Der größte Luxus ist es, sich Zeit zu nehmen“, sagt Rentsch, „und ich bringe die Leute dazu.“ Dass es nebenan Kleidchen für Taschenhunde gibt, ist ihm dagegen ziemlich schleierhaft. Aber wer braucht mit Blattgold ausgelegte Wachteleier, die Rentsch für schlappe 485 Euro vertreibt?

Manchmal schaut der Künstler rüber zu den Kolleginnen der Firma „Hundestolz“. Wenn Firmenhund Willi ihn sieht, beginnt er zu bellen und zerrt an der Leine. Den Rest der Zeit kaut Willi auf Stofftieren oder er schläft. Immerzu wird er geweckt und muss auf das goldene Hundebett hüpfen, das seine Besitzerin hier der Generation Paris Hilton andreht. Das stresst. Dabei kann Willi noch froh sein, dass er nicht auf dem Kopf irgendeiner Dame spazieren geführt wird – als Hut. Denn unweit vom Stand mit den goldenen Fressnäpfen verkauft Elke Martensen, so genannte Modistin aus Hamburg, einen zur Kopfbedeckung verunstalteten Fuchs. Wo einst die Augen waren, sitzen jetzt Strass-Steine. Wenn Martensen den Hut aufsetzt, lappt ihr die Nase des Tiers ins Gesicht. Schön ist anders.