Die Mehrzweckhallen-Mania

Kölns Vorort Hürth baut eine neue Arena. Dabei machen viele Mehrzweckhallen Verlust. Zahlen müssen die Bürgerinnen und Bürger – selbst wenn private Investoren hinter dem Projekt stehen

VON MARC STEINHÄUSER

Walther Boecker kämpft – mit sich. Der Bürgermeister von Hürth hält mit gestreckten Armen einen Basketballkorb in die Luft, doch seine Kräfte lassen sichtlich nach. Neben ihm zwei Basketballprofis. Die Sportler tragen rote Trainingsjacken, „Rhein Energie Köln“ steht darauf. Der Bürgermeister trägt einen Anzug und schicke Lederschuhe. Sie stehen gemeinsam auf einem matschigen Acker in Hürth, es regnet in Strömen.

Heute ist Baubeginn für die Zufahrtsstraße zu ihrer zukünftigen Heimspielstätte, der neuen Mehrzweckhalle in Hürth. Ab April 2008 sollen dort 8.000 Zuschauer Platz finden. „Das ist ein Imagegewinn für die Stadt Hürth“, sagt der Bürgermeister und lächelt. Neben ihm steht einer der Investoren, Walter Pütz. „Am schönsten fände ich es, wenn die Halle jeden Tag voll wäre“, sagt er. Ein Windstoß reißt den Regenschirm einer Frau weg. Irgendwie ist das Wetter zu schlecht für solche Ankündigungen.

Doch es passt zur Lage auf dem Mehrzweckhallen-Markt in der Region, ob in Düsseldorf, Köln, Krefeld, Oberhausen, Dortmund oder Essen. „An Rhein und Ruhr haben wir die höchste Konzentration von Großveranstaltungshallen in Europa“, sagt der Präsident des europäischen Verbands der Veranstaltungs-Zentren (EVVC), August Moderer.

Konzertveranstalter finden an Rhein und Ruhr paradiesische Zustände vor. Tanja Knieps, Sprecherin von Dirk Becker Entertainment, das unter anderem die Veranstaltungen von Herbert Grönemeyer und Take That plant: „Wir können uns die Hallen und Termine aussuchen. Und je mehr Auswahl, desto besser.“ Doch was für die Veranstalter gut ist, ist für die Hallenbetreiber schlecht. Und so erteilt Verbandspräsident Moderer allen Neubauplänen in der Region eine klare Absage: „Der Markt ist auf jeden Fall gesättigt.“ Trotzdem wird fröhlich weiter gebaut, denn egal, ob Otto Waalkes oder Shakira – die Auftritte von Stars bringen dem Veranstaltungsort Aufmerksamkeit und Prestige ein.

Gewinn allerdings bringen sie nicht ein. Aller Orten manövrieren die Hallen am wirtschaftlichen Limit – oder weit jenseits davon. „Es gibt keine Halle, die Gewinn macht“, klagt Paul Keusch, Manager des Krefelder König Palasts. Seine Halle, in der 8.000 Zuschauer Platz finden können, hat im vergangenen Jahr rund eine Million Euro Verlust eingefahren. Auch die Kölnarena, mit bis zu 20.000 Plätzen Deutschlands größte überdachte Multifunktionsarena, schreibt rote Zahlen. Der bisher größte Verlust wurde 2004 verbucht: 1,7 Millionen Euro. In Düsseldorf machte die „LTU Arena“ in ihrem ersten Jahr 2005 sogar über acht Millionen Euro Miese.

Zahlen müssen die Bürger, denn in Düsseldorf wie auch in Krefeld werden die Hallen von städtischen Firmen betrieben. Anders in Köln: Bei der Kölnarena und der neuen Arena in Hürth tragen private Investoren das Risiko. Die sind – 500 Meter hinter der Stadtgrenze Kölns – guter Dinge und gehen von einem vollen Terminkalender aus. „Wir wollen 80 bis 100 Veranstaltungen im Jahr haben“, sagt Investor Walter Pütz. Bürgermeister Boecker ist stolz, dass die Halle auf seinem Grund und Boden stehen wird und nicht, wie zunächst geplant, in Köln-Mülheim, Köln-Porz oder Köln-Kalk. Die Planungen hätten sich in Köln lange hingezogen, erklärt Boecker vielsagend. „Bei uns wurde dagegen in nur drei Monaten der Kaufvertrag für das Grundstück abgeschlossen.“

Inge Schürmann, Sprecherin der Stadt Köln, trauert der verpassten zusätzlichen Halle aber nicht nach: „Wir haben in Köln ausreichende Quantitäten.“ Kölnarena-Chef Ralf Bernd Assenmacher wird deutlicher: Mit dem Bau schreite die „Kannibalisierung des Hallen-Marktes“ weiter voran. „Manchmal ist es besser, eine alte Halle zu modernisieren, anstatt sofort eine neue zu bauen“, sagt auch EVVC-Präsident August Moderer. Dann habe man zumindest schon mal die Verkehrsinfrastruktur.

Denn die Verkehrsanbindung müssen die Bürger auch bei privat betriebenen Hallen auf jeden Fall stemmen. Das kann teuer werden. In Düsseldorf verschlang die Verlängerung einer Straßenbahnlinie, der Ausbau der Zufahrtswege plus Autobahnanschluss nach Angaben der Stadt um die 25 Millionen Euro an Steuergeldern. Das kleine Hürth bei Köln hofft, dass eine halbe Million Euro reichen werden, um Parkplätze, Zufahrtswege und einen Fußgängertunnel zur Stadtbahn zu bauen. Und das alles, schiebt Bürgermeister Walther Boecker tapfer nach, habe man ohnehin bauen wollen.