Zu nah an die Szene geraten

Weil er es mit den Kontakten zur gewaltbereiten Neonazi-Szene offenbar übertrieb, wurde im Schaumburger Land ein Staatsschutzbeamter versetzt. Seine Vorgesetzten sorgten sich, der Mann könnte Dienstgeheimnisse verraten haben

Die Weiterbeschäftigung im Umfeld der Schaumburger Nazi-Szene oder in der Polizei war für letztere nicht mehr akzeptabel

Die Schaumburger Neonazi-Szene ist unter den niedersächsischen eine der gewaltbereiteren. Regelmäßig stehen die Aktivisten der „Nationalen Offensive“ um Marcus Winter vor Gericht. In jüngster Zeit hat die Polizei den Verfolgungsdruck erhöht. Ein Hauptkommissar musste dazu allerdings versetzt werden. Die Sorge: eine möglicherweise zu große Nähe des Mannes zur beobachteten Szene. Gerüchte um den Fall hatte es schon länger gegeben: Bereits 2005 leitete die Polizei ein internes Ermittlungsverfahren gegen den Polizisten aus Stadthagen ein.

Das Verhalten des Beamten habe die Kollegen verwundert, sagt Thorsten Walter, stellvertretender Polizeiinspektionschef Nienburg/Schaumburg. So überreichte der Mann im Jahr 2003 bei einem von Neonazis ausgerichteten Fußballturnier den Siegern den Pokal. Zudem fiel später einem Kollegen auf, dass Kameradschaftsführer Winter in der Spedition der Ehefrau des Polizisten beschäftigt war. Darauf hatte der Beamte selbst, zu dessen Aufgabe als Staatsschützer zeitweise die Aufklärung politischer Kriminalität von Rechts gehörte, nicht hingewiesen.

Bedenken kamen auf: Könnte der Mann Dienstgeheimnisse verraten haben – und wie eng waren seine Beziehungen zur rechten Szene? Es folgten dienst- und strafrechtliche Schritte. Das niedersächsische Landeskriminalamt suchte nach einem möglichen Informationsleck. Die Ermittlungen ergaben aber Thorsten Walter zufolge „keine weiteren Anhaltspunkte“. Juristisch angreifbar, sagt er, sei alleine die Pokalübergabe gewesen. Und genau die jedoch sei disziplinarrechtlich bereits verjährt. Eine „politische Nähe des Beamten zum Rechtsextremismus“, sagt Walter, sei nicht weiter erkennbar geworden.

Ohne Folgen blieben die Ermittlungen indes nicht: Nach der Polizeireform 2004/2005 wurde der Hauptkommissar nicht in die neu aufgestellte Staatsschutzabteilung übernommen. „Mit unserer konsequenten Linie gegen den Rechtsextremismus“, sagt Walter, habe sich die auf „Informationsgewinnung durch Nähe“ angelegte Arbeitsweise des Beamten nicht vereinbaren lassen. 2006 wurde die Versetzung des Beamten nach Hessisch Oldendorf angeordnet. „Alles präventive Maßnahmen“, sagt Walter, die sowohl den Betreffenden vor weiteren Anschuldigungen als auch die Polizei bei ihrer Arbeit schützen sollten. Er sorgt sich besonders darum, dass Informationen über Erkenntnisse und Maßnahmen die rechte Szene erreichen könnten. „Eine Weiterbeschäftigung im Umfeld der Schaumburger Szene oder in der Polizei war für uns nicht mehr akzeptabel“, sagt Walter.

Auch für Marcus Winter blieb diese Nähe nicht ohne Folgen. Er sei „nicht bei mir beschäftigt“, erklärte gestern die Ehefrau des Polizeibeamten. ANDREAS SPEIT