Landesbanken: Spekulative Wut

Die Liberalisierung des öffentlichen Bankensektors hat aus behäbigen Staatsbanken wilde Zocker gemacht. Doch die Rechnung für die Spekulationen zahlte der Steuerzahler.

Mal eben beim Zocken verloren: Die Sächsische Landesbank Bild: dpa

BERLIN taz Es waren einmal behäbige öffentliche Finanzinstitute, die dienten als Haus- und Förderbanken für ihr jeweiliges Bundesland und als eine Art Zentralbank für die Sparkassen der Region. Neuerdings aber verbindet man mit dem Begriff Landesbanken etwas ganz anderes: zockende Banker, die Milliarden auf den Weltfinanzmärkten verspielen. Was ist geschehen?

Vor der Sachsen LB hatten sich schon andere Landesbanken total verspekuliert. Besonders berüchtigt: die Berliner Bankgesellschaft, zu der auch die Landesbank Berlin gehört. Als sie mit windigen Immobilienfonds auf die Nase fiel, musste das ohnehin schon klamme Land Berlin mit Subventionen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro und zusätzlichen Garantien über 21,6 Milliarden Euro einspringen. Die EU verfügte daraufhin den Verkauf der Bankgesellschaft - sie gehört neuerdings dem Sparkassen- und Giroverband. Die juristische Aufarbeitung des Falls dauert an.

Die Landesbanken haben in den vergangenen Jahrzehnten regelmäßig für Skandale gesorgt. Und ebenso regelmäßig wurde gefordert, sie aufzulösen. Einer der Hauptgründe dagegen ist die beachtliche Anzahl an Stellen, die die Landesbanken den Landesregierungen zur Versorgung von Landeskindern bieten - und das in allen Gehaltsklassen. Allein die Bremer Landesbank beschäftigt bei einer Bilanzsumme von nur 32 Milliarden Euro 900 Mitarbeiter in dem kleinsten Bundesland. Berlin leistet sich mehr als 6.200 öffentliche Bankangestellte, bei der Nordbank von Schleswig-Holstein und Hamburg rechnen 4.400 und bei der Nord LB in Hannover 5.500 Landesbanker. Bei der LB Baden-Württemberg schaffen 12.300 Staatsangestellte. Mit 1,3 Milliarden Euro Gewinn vor Steuern ist sie vor der WestLB die größte der Landesbanken. Und ihr wird zugetraut, als einzige der zwölf eine Strategie zu haben. Ob diese aufgeht, kann sie nun bei der fast bankrotten Sachsen LB zeigen, wo 600 Mitarbeiter auf Weisung warten.

2003 machte die nordrhein-westfälische WestLB Schlagzeilen, als eine Tochter in London 1,7 Milliarden Euro verlor. Und damit nicht genug: Derzeit werden die Verluste der WestLB aus dem Eigenhandel, also den Spekulationsgeschäften auf eigene Rechnung, mit 240 Millionen Euro beziffert. Unter anderem hatte sie sich mit VW-Aktien verzockt, auf dem kriselnden US-Hypothekenmarkt ist sie ebenfalls engagiert.

Hintergrund dieser Spekulationswut ist die von der EU-Kommission angeordnete Marktliberalisierung, die den ungleichen Wettbewerb zwischen staatlichen und privaten Banken beenden sollte. Früher standen die jeweiligen Bundesländer als Bürgen hinter ihren Landesbanken. Diese galten deshalb als besonders kreditwürdig und konnten sich Geld zu sehr günstigen Konditionen besorgen, auch ohne größeres Eigenkapital. Das aber, so das Urteil aus Brüssel, sei ein unfairer Wettbewerbsvorteil gegenüber den privaten Geschäftsbanken. Vor zwei Jahren endete die so genannte Gewährträgerhaftung der Länder.

Die Landesbanken müssen nun auf eigenen Beinen stehen und sich gegen die anderen Großbanken behaupten. In Deutschland aber gibt es eine viel größere Zahl Banken als in anderen Industrieländern. Die liefern sich einen gnadenlosen Wettbewerb und das drückt auf die Gewinnmargen. Offenbar sahen viele der Landesbankmanager ihre Chance daher nicht im klassischen Bankgeschäft, in Kontoverwaltung und Kreditvergabe, und schon gar nicht in Dienstleistungen für die popeligen Sparkassen oder in der langweiligen Finanzierung der Strukturpolitik der Länder - sondern in den großen Deals auf den internationalen Finanzmärkten.

Die sind zwar potenziell lukrativ, aber auch höchst riskant. Schon 2004 hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nach Informationen des Spiegels bei einer Überprüfung der Sachsen LB festgestellt, dass die Bank mit Summen spekulierte, die sich fast auf das 20fache ihres Eigenkapitals beliefen. Anscheinend konnten die Finanzaufseher aber in Zeiten des Börsenbooms darin nichts Schlimmes erkennen. Eingegriffen haben sie nicht. Jetzt wird sich auch die BaFin fragen lassen müssen, ob sie ihrer Rolle als Wachhund überhaupt nachkommt. Die Landesbanken selbst, die sich stets nur auf das Urteil von privaten Rating-Agenturen wie Moodys verlassen hatten, sind dem Risikomanagement jedenfalls wohl nicht gewachsen.

"Die aktuellen Probleme bei der Sachsen LB sind ein Signal, dass zumindest kleine Landesbanken an den internationalen Kapitalmärkten überfordert sind", urteilt der Bankenprofessor Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim. "Bei den Landesbanken muss sich dringend etwas tun in Sachen Zusammenlegung." Für einen ersten Schub sorgte das Auslaufen der Staatshaftung. 2003 fusionierten die Landesbanken Hamburg und Schleswig-Holstein zur HSH Nordbank. 2005 schluckte die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) die Landesbank Rheinland-Pfalz. Die in Hannover ansässige Nord/LB soll versucht haben, mit der HSH Nordbank anzubandeln. Die kleine Landesbank Bremen gehört schon mehrheitlich zur Nord/LB und die SaarLB zur BayernLB.

Nun erwägt die angeschlagene WestLB ein Zusammengehen mit der LBBW. Die regionalen Sparkassen, die die Mehrheit der Anteile an der WestLB halten, befürworten die Fusion. Die nordrhein-westfälische Landesregierung stellte sich jedoch am Freitag auf einmal quer, weil sie Arbeitsplatzabbau und einen Prestigeverlust für den Finanzplatz Düsseldorf fürchtet.

Dennoch wächst der Druck zur Konsolidierung. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), der für ein Finanzinstitut plädiert, das "in der Champions League mitspielen" könne, macht sich dafür ebenso stark wie der Präsident des Sparkassenverbandes, Heinrich Haasis. Der will den öffentlich-rechtlichen Bankensektor so weit stabilisieren, dass gar niemand auf die Idee kommt, dieser müsse für den Privatsektor geöffnet werden. Nach dem Verkauf der Sachsen LB an die LBBW bleiben ohnehin nur noch 7 eigenständige Landesbanken von ursprünglich 12 übrig. Am Ende könnten es womöglich nur noch 2 sein. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hegt nach Informationen des Focus schon konkrete Pläne, wie er die Stuttgarter fernhalten kann: durch den Zusammenschluss zu einer Nord-Gruppe unter Führung der WestLB mit Nord/LB, HSH Nordbank und Berliner Bankgesellschaft und zu einer Süd-Gruppe bestehend aus LBBW und Sachsen LB, BayernLB und der Landesbank Hessen-Thüringen.

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