Parlamentswahl: Franzosen stärken die linke Opposition

Die Sozialisten haben bei den Parlamentswahlen überraschend eine Zweidrittelmehrheit der Konservativen vereitelt. Superminister Juppé trat zurück.

Superminister Alain Juppé unterliegt in Bordeaux und tritt zurück. Bild: dpa

Paris taz "Ja - aber" titelt die rechte Tageszeitung Le Figaro gestern. Die linksliberale Libération macht auf mit: "Die Rechte leistet sich eine Linke". Und die kommunistische Humanité schreibt auf ihrer ersten Seite: "Kurskorrektur".

Am Tag nach dem zweiten - und letzten - Durchgang der französischen Parlamentswahlen ist die Überraschung perfekt: Die als gigantisch angekündigte blaue Welle ist ausgeblieben. Stattdessen eroberten die Sozialisten (PS) mehrere Dutzend zusätzliche Sitze im Parlament und auch die kleineren linken Kräfte KPF und Grüne haben sich viel besser verteidigt als vorausgesagt. Zwar hat die rechte UMP die Mehrheit bekommen, und es sind zehn rechte MinisterInnen wieder gewählt worden. Aber die rechte Mehrheit ist viel schwächer ausgefallen als erwartet.

Zudem ist Alain Juppé, Superminister für Umwelt und bis Sonntag Nummer zwei der Regierung, gescheitert. Gestern trat Juppé aus der Regierung zurück. Der einstige Favorit Chiracs für dessen Nachfolge im Élysée-Palast, aber wegen illegaler Parteispendenaffären vorbestraft, ist in Bordeaux gescheitert, wo seit 60 Jahren Rechte gesiegt haben. An seiner Stelle wurde die Sozialistin Michèle Delaunay gewählt.

Auch andere prominente UMP-Kandidaten, darunter Exkulturminister Renaud Donnedieu de Vabres, der Anti-Terror-Richter Jean-Louis Bruguière und der wegen Korruption vorbestrafte Alain Carrignon sind am Sonntag gescheitert. In Paris unterlag der Sarkozy-nahe Anwalt Arno Klarsfeld im 12. Arrondissement. Klarsfeld hatte in der Uniform eines israelischen Soldaten mit MG für französische FotografInnen posiert und 2006 einen Auftrag des damaligen Innenministers Sarkozy angenommen, die Abschiebung papierloser AusländerInnen und ihrer schulpflichtigen Kinder aus Frankreich zu organisieren.

Insgesamt bekommt die UMP 313 der 577 Sitze im Parlament. Zusammen mit den 22 Abgeordneten der ebenfalls an der rechten Regierung François Fillon beteiligten Zentrumspartei "Nouveau Centre" hat sie eine solide Mehrheit. Aber sie verliert Sitze und es reicht nicht für die angestrebte Zweidrittelmehrheit. Die Umwandlung der von den Franzosen per Referendum abgelehnten EU-Verfassung in einen minimalistischen EU-Vertrag auf rein parlamentarischem Weg, wird schwieriger. Sarkozy will diesen Mini-Vertrag noch in diesem Sommer durchpauken. Die neue zweite Zentrumspartei "Modem" von François Bayrou stellt drei Abgeordnete.

Von dem Ausbleiben der rechten Welle profitierte vor allem die PS. Sie bekam am Sonntag 186 Sitze und vergrößert ihre Fraktion um 51 Abgeordnete. Auch KandidatInnen, die zuletzt "gefährdet" erschienen, schafften den Einzug ins Parlament. Darunter Bianco, Montebourg, Lang und Dray, die im Präsidentschaftswahlkampf die Kandidatin Ségolène Royal beraten hatten. Zwei andere Royal-Berater, Chévènement und Peillon, müssen draußen bleiben.

Auch die Grünen bekommen Zuwachs: Statt zu dritt, werden sie künftig zu viert im Parlament sitzen. Die KPF zieht zwar nicht mehr mit 21, aber noch mit 15 Abgeordneten ins neue Parlament ein. KommunistInnen und Grüne haben angekündigt, dass sie eine gemeinsame Fraktion gründen wollen, um ihren parlamentarischen Einfluss zu vergrößern. Für eine Fraktionsbildung sind 20 Abgeordnete nötig.

Das Ergebnis des zweiten Durchgangs bestätigt in Prozenten das Resultat der Präsidentschaftswahlen. Hier wie dort bekommt die Rechte rund 53 Prozent der Stimmen und die Linke rund 47 Prozent. Dennoch ist der Ausgang dieser Wahlen ungewöhnlich: Zum ersten Mal haben die WählerInnen ihre Entscheidung zwischen dem ersten und zweiten Durchgang radikal korrigiert - denn noch beim ersten Durchgang sah es nach einem haushohen Sieg der Rechten aus. Doch hat die Linke - vor allem mit einer Kampagne gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer - ihr Abschneiden verbessern können. Gleichzeitig aber ist es einer scheidenden Mehrheit gelungen, in der folgenden Legislaturperiode erneut eine Mehrheit im Parlament zu erobern. Eine Infragestellung der Politik von Präsident Sarkozy sind die Parlamentswahlen nicht. Wohl aber ein gewisses Gegengewicht.

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