Linkspartei kämpft gegen sich selbst

Wenige Wochen vor den Wahlen in Nordrhein-Westfalen ist die Partei Arbeit und soziale Gerechtigkeit dort schlecht aufgestellt. Die Hälfte der Anhänger ist nicht vom Verein in die Partei gewechselt, intern tobt ein Machtkampf

BOCHUM taz ■ Die Linkspartei schrumpft bereits wieder. Von den 6.000 Mitgliedern des früheren Vereins „Wahlalternative“ ist bislang nur knapp die Hälfte der neu gegründeten Partei Arbeit und soziale Gerechtigkeit (ASG) beigetreten. „Wir hoffen, in den kommenden Tagen die Zahl von 3.000 Mitgliedern zu erreichen“, sagt ASG-Bundesvorstand Klaus Ernst.

In Nordrhein-Westfalen, wo die ASG am 22. Mai erstmals bei einer Landtagswahl antreten möchte, hatte die Partei nach Auskunft des Landesvorsitzenden Hüseyin Aydin am Wochenende 650 Mitglieder, gestern ließ die Partei verbreiten, es seien 800. 1.200 Aktivisten waren es zu Vereinszeiten. Grund für den Mitgliederschwund ist ein parteiinterner Richtungsstreit zwischen exsozialdemokratischen Gewerkschaftsfunktionären und linken Splittergruppen.

Ernst drohte in einem offenen Brief sogar mit Rücktritt, sollte die ASG zum Sammelbecken „linker Sektenkrieger“ werden. „Es kann nicht sein, dass wir für eine Reform des Sozialstaats eintreten, und einige Mitglieder wollen das System in Gänze abschaffen“, sagte Ernst der taz. Intern umstritten ist vor allem die Rolle der trotzkistische Gruppe Sozialistischen Alternative Voran (SAV), die besonders in NRW großen Einfluss in der ASG gewonnen hat. „Wir dürfen kein Vehikel für solche Gruppen sein“, warnt Gewerkschafter Ernst.

Andere Bundesvorstandsmitglieder um den Fürther IG-Metaller Thomas Händel pochen dagegen darauf, dass die ASG ein „breites Bündnis“ innerhalb des linken Spektrums schaffen müsse. „Wir bedauern die Vorwürfe, des Gewerkschaftsflügels“, sagt Marc Treude, SAV-Ratsherr in Aachen und NRW-Landtagskandidat der ASG. Die Linkspartei müsse auch für sozialistische Positionen offen bleiben, fordert er.

Die ASG-internen Streitereien verschrecken offenbar das Gewerkschaftsmilieu, aus dem die Wahlalternative im vergangenen Jahr als Protestbewegung gegen die rot-grünen Sozialreformen entstanden war. „Jedes Mitglied muss selbst wissen, ob und wo es sich parteipolitisch engagiert“, sagt Frank Bsirske, Bundesvorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Die Arbeitnehmerorganisationen seien „nicht der verlängerte Arm einer Partei – nicht der SPD, und auch nicht einer Linkspartei“, so Bsirske.

Zugleich gesteht der Gewerkschafter aber eine inhaltliche Nähe zu ASG-Positionen, etwa wenn er für eine andere Wirtschafts- und Sozialpolitik plädiert. „Die Proteste gegen die Agenda haben den politischen Diskurs verändert“, sagt Bsirske. Aber die Linkspartei werde nicht als politische Alternative wahrgenommen, sagt Eberhard Weber, DGB-Vorsitzender im östlichen Ruhrgebiet, über die Stimmung rund um die SPD-Hochburg Dortmund. „Breite Teile der Arbeitnehmerschaft haben sich wieder mit Rot-Grün angefreundet“, sagt Weber. Nach den erfolglosen Protesten gegen Hartz IV und Agenda 2010 hätten sich viele Beschäftigte mit dem politischen Kurs abgefunden.

Hoffnung macht der ASG eine Umfrage der Meinungsforscher von Infratest-dimap. Danach wollen 3 Prozent der Befragten die Linkspartei bei der Bundestagswahl 2006 wählen, 19 Prozent könnten sich dies vorstellen. Für die NRW-Landtagswahl sieht es jedoch düster aus: Hier sieht Infratest die ASG im „nicht messbaren“ Bereich unter 2 Prozent. Dennoch will die Linkspartei kämpfen. „Wir haben beschlossen, anzutreten, da müssen wir jetzt durch“, sagt Bundesvorstand Ernst. KLAUS JANSEN

MARTIN TEIGELER