Polizei jagt 15-jährigen Punk

A.C.A.B. steht für den Namen einer britischen Punkrockband „All Cops are Bastards“ – und zugleich für jugendliche Antihaltung. Auch Neonazis benutzen ihn. Aber als Aufschrift auf dem Hemd ist er nicht strafbar. Manchen Polizisten ist das egal

bremen taz ■ Missbrauchen Bremer Polizisten ihre Macht, wenn Punks auf ihren Klamotten den Aufnäher A.C.A.B. tragen – die Abkürzung für „All Cops are Bastards“, den Namen einer britischen Punkrockband? Danach sieht es aus, wenn man den Berichten eines 18-jährigen Azubis und eines 15-jährigen Schülers glaubt. Dem einen wurde am Sonntag deswegen eine Strafanzeige angedroht, der andere wurde nach eigenen Angaben von den Polizeibeamten gezwungenden, den Ärmel seiner Lederjacke samt Aufschrift A.C.A.B abzuschneiden – Insignien, mit denen übrigens auch Nazis provozieren. Offenbar meldeten die Beamten ihr Einschreiten aber nicht – es gibt nicht einmal eine Notiz Polizeiprotokoll dazu.

Auch deswegen reagieren Vertreter von Polizei und Staatsanwaltschaft mit Stirnrunzeln. Denn die Geschichten, die die beiden jungen Männer erzählen, klingen glaubhaft. Die Mutter des Lehrlings kritisiert das Verhalten der Polizei.

Der Anlass ist schnell geschildert: Den 18-Jährigen, der sich selbst „anarchistischer Punk“ nennt, und seine Aufschrift „schockierend und individuell“, überprüften vermutlich zwei Beamte einer Sondereinheit in der Nacht auf Sonntag vor Zeugen am Rembertiring. Ob er wisse, was die Aufschrift bedeute? Das gebe eine Strafanzeige, habe ein Beamter gedroht. In München seien dafür 3.000 Euro Strafe fällig geworden. „Und dann haben die meinem Sohn gesagt, er könnte sich ja einen neuen Pullover bei Karstadt klauen“, ist die Mutter empört.

Der Sohn hatte am Samstag in Oldenburg gegen einen Nazi-Aufmarsch demonstriert. „Wenn Polizisten nicht in der Lage sind zu differenzieren – wer soll es denn dann tun?“, fragt die Frau. Dieses Verhalten der Polizei führe dazu, dass das Engagement junger Leute gegen Nazis in Wut auf den Staat umkippen könnte.

Über den Beamten wird sie sich nicht beschweren können. „Hier ist dazu nichts bekannt“, heißt es in der Polizeipressestelle. Zugleich ist man sicher, dass die Aufschrift A.C.A.B. auf einem Pullover keine Straftat ist. Das Einschreiten der Polizei wird so fragwürdig.

Wahllos befragte Punks am Bahnhof grinsen dazu. „Die machen, worauf sie Lust haben“, sagen sie. „A.C.A.B., das mögen die nicht.“ Doch seien in der jüngsten Zeit keine Vorfälle bekannt. Eher lakonisch kommentiert einer: „Dann hat man eben ein Hemd weniger.“

Sogar Staatsanwälte sehen das enger. „Ärger wegen vier Buchstaben auf dem Hemd?“, fragt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Frank Passade, eigens nach. Einen Straftatbestand sieht auch er nicht. Da müsste schon noch etwas dazukommen. „Eine erkennbare Verächtlichmachung“, sagt er. Die Aufschrift „Scheißbullen“ allerdings könne zu einer Anzeige wegen Beleidigung führen.

Im Fall des 15-jährigen Manuel* führte sie in Verbindung mit der Aufschrift A.C.A.B. – die Betroffene zu „Acht Cola, acht Bier“ verharmlosen – zu einer Hetzjagd und einer zerschnittenen Lederjacke. In Sebaldsbrück habe ein Auto mit zwei unbekannten, sehr kurzhaarigen Männern neben ihm angehalten, schildert der Schüler, der als Punk leicht zu erkennen ist, was ihm vor Monaten geschah. Er habe gefürchtet, Neonazis wollten ihn überfallen – und sei geflüchtet. Erst als die Männer ihn stellten, erkannte er, dass es sich um Polizisten in Zivil handelte. „Ich musste die Aufschriften vor ihren Augen aus dem Ärmel schneiden.“ Seinen Eltern hatte er zunächst nichts davon erzählt. „Die halten mich für provozierend“, sagt der 15-Jährige. ede