Heinz Gehnke kennt alle

Rotenburg fiebert auf die Fussballweltmeisterschaft hin. Zu Gast ist dann die Mannschaft aus Trinidad und Tobago. Heinz Gehnke ist der städtische Kontaktmann für die karibischen Inseln. Beim Trommeln für seine „Trinis“ ist ihm nichts zu peinlich. Die WM kommt schließlich nur einmal an die Wümme

aus Rotenburg Anja Philipp-Kindler

Heinz Gehnke ist Info. Heinz Gehnke weiß alles, kennt alle und alle kennen ihn. Er ist der Mann, der das Rotenburger WM-Logo kreiert hat, der dafür gesorgt hat, dass nun alle Rotenburger Fußball sind. Heinz Gehnke ist seit 1990 der Leiter des Info-Büros in der Kreisstadt zwischen Hamburg und Bremen. Und seitdem feststeht, dass die Kicker aus Trinidad & Tobago während der WM-Vorrunde im Juni in Rotenburg wohnen werden, kommt der quirlige 54-Jährige regelmäßig in Wallung.

„Jetzt habe ich den E-Mail-Kontakt zu Philipp Edinborough“, jubelt er zum Beispiel. Philipp Edinborough ist ein wichtiger Mann auf Trinidad, denn er ist Musikproduzent und der Kontaktmann zu Chris Garcia. Und Garcia singt das WM-Lied für die Fußballspieler, die sich Soca Warriors nennen. Vielleicht, so Gehnke, kann er Edinborough und Garcia nach Rotenburg lotsen. Gehnke schreibt auch E-Mails an Barbara, Douglas, Lisa und Patrick. Patrick ist der allerwichtigste Mann auf T&T. Denn der arbeitet in der deutschen Botschaft und erinnert die von Gehnke angeschriebenen Menschen daran, dass sie auf seine E-Mails antworten sollen.

Kontakt herstellen, ihn halten und Absprachen treffen, das ist nicht so einfach mit den Trinbagoniern. „Manchmal macht einen das affig. Aber so ist das eben. Wenn die sagen, dass sie kommen, kommen sie auch. Aber entweder drei Tage zu spät oder einen halben Tag zu früh.“

Bisher gab es für Heinz Gehnke einen beruflichen Höhepunkt jährlich: Den Kartoffelmarkt im Oktober. Ansonsten bestand sein Tagesablauf oft auch darin, Geschäftsleute daran zu erinnern, dass sie für schöne Blumenkübel vor den Geschäften zu sorgen haben.

In diesem Jahr ist alles anders. In diesem Jahr knipst er sich die Finger wund, tippt eine Pressemitteilung nach der anderen und dürfte der Stadt horrende Telefonrechnungen bescheren. Gehnke trommelt für seine „Trinis“, und dafür sitzt er auch im Rotenburger WM-Arbeitskreis. Dort wurde zum Beispiel ausgeheckt, dass der Marktplatz im Juni in eine große Sandkiste mit Palmen und Swimmingpool verwandelt werden soll.

Sand auf dem Marktplatz

Die Stadt will die „Trinis“ feiern und das Feiern organisiert dann der gelernte Zentralheizungs- und Lüftungsbauer, KFZ-Mechaniker, Betriebswirt, Verlagskaufmann und Journalist mit. Gehnke ist auch noch stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Königinnen e. V. Ja, diesen Job hat er wirklich. Er hat ein Faible für Blüten-, Kartoffel- und sonstige Gemüse- und Blumenköniginnen. 60 davon hat er im letzten Jahr beim Königinnentag in Witzenhausen interviewt. „In drei Stunden 60 Königinnen. Mann, danach war ich aber kaputt.“ So wundert es auch nicht, dass Rotenburgs Kartoffelkönigin Ramona sogar zu schnöden Presseterminen im Rathaus in voller Königinnenmontur und mit Krone erscheint.

Nicht jeder in Rotenburg möchte etwas über Heinz Gehnke sagen. Manch einem sind die Aktionen peinlich, die der Mann anschiebt. Gehnke ist nichts peinlich: „Man muss sich manchmal auf der Bühne zum Affen machen. So ist das eben. Und mein Job ist es eben, PR für die Stadt zu machen. Da sagt man eben, dass das Glas halb voll ist und nicht halb leer.“

Kürzlich überreichte er auf der Rotenburger Karibik-Party einer dunkelhäutigen Fernsehmacherin aus T&T eine „Wir sind Fußball“-Schokotorte auf der Bühne. Das finden nicht unbedingt alle witzig in Rotenburg. Ach ja: „Wir sind Fußball“. Diesen Spruch hat er sich ausgedacht und ihn auf Tassen, Aufkleber und Werbetafeln drucken lassen. Und er hat sich auf Info-Veranstaltungen für Geschäftsleute, Wirte und Hoteliers den Mund fusselig geredet mit dem Bürgermeister und dem Sportbeauftragten der Stadt. Detlef Eichinger, parteiloser Bürgermeister, fungierte als Einpeitscher auf diesen Treffen und bekniete die Gewerbetreibenden, endlich mal an einem Strang zu ziehen und die Stadt fein herauszuputzen. Denn: „So etwas passiert uns nur einmal. Eine WM in Deutschland, auch noch mit Rotenburger Beteiligung. Das werden wir nie wieder erleben.“

Ob Tobago-Schokolade, Ball-Brote, Torwand-Kekse, die Gründung eines T&T-Fanclubs oder das Autowaschen zum halben Preis im T&T-Trikot: Die Geschäftswelt hat verstanden und meldet jede neue Kreation, die irgendwie nach Karibik klingt, ins Info-Büro. Und Gehnke knipst und tippt dann. Flaggen sollten her. Die schwarzrote aus Trinidad und die aus allen anderen 31 WM-Teilnehmerländern. Mittlerweile wehen hunderte Fahnen, Wimpelketten und große Flaggen in der Stadt mit dem Autokennzeichen ROW.

Hauptbeschaffer der bunten Stoffe ist Ingo Lehmann. In seinem Sporthaus in der Fußgängerzone sind nun wieder T&T-Fahnen zu haben. „Aber die Wimpelketten sind ausverkauft. Die kriege ich erst Mitte April wieder.“ Er hat noch nicht so weiträumig geflaggt wie viele seiner Kollegen. „Ich warte noch auf die Schweden-Flagge. Die will ich nämlich aufhängen.“ Gehnke ist für ihn ein Original. „Der Mann lebt seinen Job. Der kann gar nicht anders.“

Der Partykönig

Oft muss Gehnke einfach drauflosreden. Dann bringt er karibische Fernsehmacher dazu, Rotenburg in ihre sechsteilige Serie über WM-Deutschland einzubauen, obwohl sie das gar nicht geplant hatten. Dafür organisiert er dann eine große Karibik-Party auf dem Marktplatz, damit die Fernsehleute was zu drehen haben. Die Party fand zwar an einem Montagabend statt, der Marktplatz war trotzdem voll. Und er beschwatzte die Macher der “Aktuellen Schaubude“ vom NDR so lange, bis sie Rotenburg in ihre Sommertour 2005 einbauten und 45 Minuten aus dem Ort sendeten. „Heinz Gehnke kennt unheimlich viele Leute. Davon profitieren wir unheimlich“, lobt sein Chef, der Bürgermeister.

Der Wirbel um die karibischen Kicker hat Erfolg. Marketingfachleute haben die Stadt Rotenburg für ihren Werbe-Oskar nominiert. Im Mai ist die Preisverleihung im Europapark Rust. Rotenburg tritt in der Kategorie „WM SAM 2006“ an.

Und wenn es gelingen sollte, den Preis zu gewinnen, dann wird der Info-Mann dafür sorgen, dass die Neuigkeit unter das Volk gebracht wird. Er wird es allen mitteilen, denn Heinz Gehnke kennt alle.