Gipfel ohne Muslime

VON LUKAS WALLRAFF

Die Ziele der Bundesregierung könnten anspruchsvoller kaum klingen. Von einem Neuanfang in der Integrationspolitik ist die Rede. Bund, Länder und Gemeinden sollen ebenso einbezogen werden wie Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeber und Migranten-Verbände. Die zuständige Staatsministerin Maria Böhmer (CDU) will einen „Nationalen Integrationsplan“ ausarbeiten. Den symbolträchtigen Auftakt bildet der so genannte Integrationsgipfel, der an diesem Freitag im Kanzleramt stattfinden wird.

Eine Premiere. Zunächst war es auch von fast allen Seiten begrüßt worden, dass Angela Merkel als erste Regierungschefin überhaupt einen solchen Gipfel mit 70 Teilnehmern in ihren heiligen Hallen abhält. Inzwischen herrscht jedoch Streit. Die Gästeliste passe nicht zu dem angeblichen Ziel der Regierung, alle für die Integration wesentlichen Akteure einzubinden, monierten Vertreter von Migranten-Verbänden und die Grünen (siehe unten).

„Wir sind bisher nicht eingeladen“, sagte der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Ayyub Axel Köhler, der Mitteldeutschen Zeitung. Dies sei „traurig“, erklärte Köhler, denn: „Man kann nicht Menschen integrieren wollen, ohne ihre innersten Glaubensbezüge zu berücksichtigen.“ Selbst der CDU-Politiker und Vorsitzende des Rates der Türkeistämmigen, Yasar Bilgin, kritisierte die Auswahl der Teilnehmer. Es reiche nicht, die relativ kleine Türkische Gemeinde einzuladen. Zumindest die fünf größten der mehr als 100 türkischen Organisationen müssten dabei sein. „Wenn sich die Mehrheit der Türken auf dem Gipfel nicht vertreten sieht, wird das ein Pseudo-Gipfel“, sagte Bilgin der Welt am Sonntag.

Der Ablaufplan steht auch in einem gewissen Widerspruch zu dem öffentlich bekundeten großen Interesse der Hausherrin an der Integrationspolitik. Merkel, die für jedes deutsche WM-Spiel genug Zeit fand, hat in ihrem Terminplan bisher nur eine Stunde für die Diskussion mit ihren Gästen freigehalten.

Organisatorin Böhmer wies die Kritik zurück, es würden zu wenige muslimische Vertreter eingeladen. Die Imame seien über die Organisation Ditib (Türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion) vertreten. Böhmer verwies außerdem auf die Islam-Konferenz des Innenministeriums im Herbst, zu der muslimische Organisationen „in aller Breite“ eingeladen werden sollen. Die endgültige Gästeliste für den Integrationsgipfel will Böhmer bis Mitte der Woche präsentieren.

Innerhalb der Union ist unterdessen Uneinigkeit über die eigenen Ziele in der Integrationspolitik deutlich geworden. So stieß Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet (CDU) mit einem Vorstoß für eine Einbürgerungskampagne auf Widerspruch. „Jede Einbürgerung ist ein Integrationserfolg“, hatte Laschet erklärt. Hessens Ministerpräsident Roland Koch sagte dagegen: „Einbürgerung muss das Ergebnis von Integration sein und nicht etwa die Eintrittskarte dazu.“ Die SPD will heute ein neues Positionspapier zur Integration vorlegen.