Alternatives Geburtshaus vor dem Aus

Die bundesweit einzigartige Kooperation zwischen Hebammen und Klinikum, das Projekt Fera, droht am Geld zu scheitern. Vivantes hat den Vertrag zum Ende des Jahres gekündigt. Doch der Protest der Beteiligten wächst

Ein bundesweit einzigartiges Projekt der Geburtshilfe, die Fera in Tempelhof, droht zu scheitern. Zum 31. Dezember hat die kooperierende Klinikgesellschaft Vivantes ihren Vertrag mit der gynäkologischen Praxis und Hebammengemeinschaft gekündigt. Damit ist genau die Besonderheit der Fera in Gefahr.

Denn der Kooperationsvertrag regelt, dass Fera auf dem Gelände des Wenckebach-Klinikums auf Narkoseärzte und Operationssäle zurückgreifen kann. So können schwangere Frauen ihr Kind in den Räumen der Fera zur Welt bringen, ohne auf ärztliche Betreuung oder im Notfall auf eine schnelle Verlegung in den Operationssaal verzichten zu müssen. Eine derart enge Verzahnung mit einem Krankenhaus sei bundesweit einzigartig, sagt Karin Alscher vom Netzwerk für Geburtshäuser.

Seit 1999 existiert das Fera-Projekt, dass laut Gründer Peter Rott eine „Geburtshausatmosphäre mit ärztlicher Betreuung“ bietet. Schon mehr als 1.500 Kinder kamen bei Fera zur Welt. Rott legt viel Wert auf den Unterschied zu einem „normalen“ Geburtshaus. „Wir sind ein Integrationsprojekt zwischen ambulanter und stationärer Versorgung.“ Vier niedergelassene Ärzte, vierzehn Hebammen und die Klinikärzte wirken mit. Aus diesem Grund kann Fera auch Frauen mit einer Risikoschwangerschaft aufnehmen.

Doch damit könnte bald Schluss sein: Denn nachts sollen die Narkoseärzte nicht mehr in der Klinik, sondern nur noch in Rufbereitschaft für Fera sein. Bei Notoperationen könnte der Weg der Ärzte von zu Hause in die Klinik lebensentscheidend sein.

Soll die bisherige Kooperation fortbestehen, so muss Fera 50.000 Euro pro Jahr an Vivantes zahlen, um verursachte Kosten, beispielsweise für einen Anästhesie-Nachtdienst oder für die OP-Nutzung zu decken.

Denn nach Aussagen des Vivantes-Regionaldirektors Florian Wenzel war die Kooperation mit Fera nicht kostendeckend. Bei einer Betriebsprüfung hatte die Unternehmensberatung McKinsey festgestellt, dass Vivantes 120.000 Euro Schulden im Jahr macht. Von den nun erforderlichen Einsparungen ist auch das Geburtshausprojekt betroffen. Wenzel gerät in Rage, wenn er über Fera spricht: „Rott will jetzt politischen Druck auf uns ausüben, wenn er an die Öffentlichkeit geht“.

Denn Fera-Leiter Rott gibt sich nicht geschlagen. Er bot Vivantes 20.000 Euro für die Aufrechterhaltung der Kooperation an, doch bisher erfolglos. Daraufhin schlug der Arzt die Werbetrommel. Er informierte Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner, die sich umgehend bei Vivantes-Chef Holger Strehlau-Schwoll für Fera aussprach.

Außerdem mobilisierte Rott seine ehemaligen Patientinnen, die in den vergangenen sieben Jahren bei Fera entbunden hatten. Mit Briefen und Fotos der Kinder wandten sich die Frauen an Klaus Wowereit. Bei einer Wahlkampfveranstaltung des Regierenden Bürgermeisters protestierten sie zusammen mit Hebammen der Fera gegen die Kündigung des Vertrags durch das landeseigene Klinikum. Wowereit versprach den Frauen, sich für das Projekt einzusetzen.

Das Engagement der Fera-Mitarbeiter scheint Erfolg zu haben: Die Klinikgesellschaft erklärte sich nun zu Gesprächen bereit. In der kommenden Woche wollen Fera und Vivantes weiterverhandeln. Tim-Niklas Kubach