Euro-Linke will neue Verfassung für Europa

Fausto Bertinotti und führende europäische Linke streiten für ein soziales Grundgesetz Europas – ohne Aufrüstung

BERLIN taz ■ Im Bundestagsplenum schmiss Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) mehrere Abgeordnete der Linksfraktion wegen ihres Protests gegen die „Tornado“-Einsätze in Afghanistan aus dem Saal. Im Europasaal nebenan aber konnten die Linken ungehindert Kritik üben – an der EU und dem aktuellen europäischen Verfassungsentwurf. Die Teilnehmer einer Konferenz zur Zukunft der EU forderten einen gänzlich neuen Vertrag.

Die Linkspolitiker halten wenig von dem Vorschlag, die angehaltene Verabschiedung der Europäischen Verfassung wieder in Gang zu setzen. „Falls Europa wirklich eine Verfassung braucht, dann muss es eine andere sein“, forderte der niederländische Europaabgeordnete Eric Meijer. Nach Auffassung der Linken werden im Verfassungsentwurf Aufrüstung und neoliberale Wirtschaftspolitik festgeschrieben.

Die Verfassung für Europa liegt auf Eis, seitdem die Bürger Frankreichs und der Niederlanden vor zwei Jahren in Volksentscheiden dagegen gestimmt haben. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Verfassungsprozess wieder zu beleben.

Auch der Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, warb für eine völlig neue Verfassung: „Wenn die Linke nichts anzubieten hat, dann ist der Kampf sinnlos, dann verplempern wir Zeit!“ Schon im Januar hatte Gysi zusammen mit Oskar Lafontaine ein Memorandum mit Eckpunkten für einen neuen Vertrag vorgestellt. Sie fordern unter anderem eine Verfassung, „die die Union und die Mitgliedsstaaten auf die Förderung von Wohlfahrt und Wohlstand verpflichtet“.

Fausto Bertinotti, der Vorsitzende der Europäischen Linkspartei, rief zu gemeinsamem Handeln auf. Noch sei das Versprechen eines anderen Europa, das sich aus dem Nein in Frankreich und den Niederlanden ergeben habe, nicht eingelöst worden, kritisierte er und forderte: „Wir müssen den Kampf für ein zukünftiges Europa anders führen!“

Anders, damit meint er geschlossener. Nicht dass es an linken Bewegungen in Europa mangele: gegen Globalisierung, für die Umwelt und für den Frieden. Die Französin Marie-George Buffet erinnerte an die großen Demonstrationen gegen den Irakkrieg und gegen die Dienstleistungsrichtlinie – das seien die Wurzeln der Linken. Bertinotti jedoch stellte fest: „Diese Bewegungen sind die Pupille unserer Augen, aber sie haben keine Tendenz zur Vereinigung.“ Er kritisierte, dass diese Bewegungen nur ihre subjektiven Ziele verfolgten, anstatt gemeinsam aufzutreten. Als Beispiel nannte er die Arbeiterbewegung. Früher habe der Arbeitskampf die Massen mobilisiert, heute sei Arbeit eine Privatangelegenheit.

Ohne eine geschlossene europäische Linke werde es keine neue Verfassung geben, warnte Bertinotti. Auch Gysi rief dazu auf, jetzt gemeinsam aufzutreten. Dann könne es nicht nur eine neue Verfassung geben, sondern auch eine neue linke Geschlossenheit: „Wir können es jetzt packen, wirklich wieder eine europäische Linke zu werden!“ NICOLE MESSMER