Riss durch die Fraktionen

In der Abstimmung zum „Tornado“-Einsatz bringt nur die Linkspartei eine einheitliche Haltung zustande

AUS BERLIN KATHARINA KOUFEN

Das Unbehagen mit dem Afghanistan-Einsatz wächst – und zeigte sich gestern im Bundestag mit überraschender Deutlichkeit: 157 Abgeordnete stimmten gegen die Entsendung deutscher „Tornados“ nach Afghanistan, mehr als je zuvor bei einem Auslandseinsatz. 405 Parlamentarier votierten dafür, 11 enthielten sich.

Die Spaltung in Ja und Nein zog sich durch alle Fraktionen mit Ausnahme der Linken, die den Einsatz geschlossen ablehnt. Besonders krass zeigte sie sich bei den Sozialdemokraten: Dort standen 69 Nein-Stimmen 133 Ja-Stimmen gegenüber. In der Debatte gestern hatten vor allem die SPD-Redner noch einmal versucht, ihre Parteigenossen für den „Tornado“-Einsatz zu gewinnen. Nein-Stimmer kamen erst gar nicht zu Wort. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Gert Weisskirchen, erinnerte an die Situation in Afghanistan unter den Taliban. „Frauen wurden gesteinigt, Fußballstadien zur Hinrichtung genutzt, Mädchen durften nicht in die Schule gehen. Dürfen wir die ‚Tornados‘ verweigern, die dabei helfen sollen, diesen Zustand zu beseitigen?“

Vom SPD-Ergebnis zeigten sich selbst Leute aus der eigenen Fraktion überrascht. Die Ablehnung fiel deutlicher aus als erwartet. Bei einer Probeabstimmung hatten etwa 40 SPDler mit Nein gestimmt. Für Ernst Dieter Rossmann, den Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD, ist das Ergebnis „ein Signal, innezuhalten“. Der taz sagte er: „Es zeigt, dass wir besser überlegen und auch besser argumentieren müssen.“ Er habe schon länger „diese Anspannung“ gespürt: Geht es überhaupt noch um Terrorbekämpfung? „Das war für uns eine reine Gewissensentscheidung. Das hatte nichts mit links oder rechts zu tun.“ In der Tat stimmten gestern Parteilinke, die sonst eher von der Mehrheit abweichen, mit Ja, während andere unerwartet mit Nein votierten.

Auf „Zerrissenheit“ oder „Frust“ innerhalb der SPD-Fraktion könne man vom gestrigen Ergebnis nicht schließen. „Es zeigt doch nur, dass sich keiner unserer Abgeordneten die Abstimmung leicht gemacht hat“, sagte Fraktionsvize Walter Kolbow der taz. „Das waren keine 100-Prozent-Entscheidungen. Alle haben mit sich gerungen und sind dann vielleicht zu dem Ergebnis gekommen, zu 51 Prozent bin ich dafür, zu 49 Prozent dagegen, also stimme ich mit Ja.“ Einen Zusammenhang mit den schlechten Ergebnissen der SPD – zuletzt lag sie bei unter 25 Prozent – sieht Kolbow nicht. „Das hat eher mit der Rente mit 67 zu tun und mit der Krise in Hamburg.“

Am kontroversesten verlief die Debatte innerhalb der Grünen. 26 Abgeordnete stimmten mit Ja, 21 mit Nein. 4 enthielten sich. Innerhalb der Fraktion reichen die Meinungen von „Die Tornados werden vermutlich zu mehr toten Zivilisten führen, weil ihre Bilder natürlich auch für Angriffe verwendet werden“ bis hin zu „Die Tornados können mit ihren guten Sichtgeräten dazu beitragen, tote Zivilisten zu verhindern“. Fraktionschefin Renate Künast unterstrich in ihrer Rede allerdings noch einmal, dass die Grünen sehr mit sich gerungen hätten und dass klar sei: Niemand spreche derzeit von einer Rückzugsstrategie. Klar sei außerdem für alle: „Wir stehen zur Nato-Schutztruppe Isaf. Wir wollen aber eine zivile Frühjahrsoffensive.“ Ihr Parteikollege Jürgen Trittin forderte die Regierung auf, mehr Geld in den zivilen Aufbau zu stecken.

Einzig die Redner der Linksfraktion warben gestern für ein Nein zum „Tornado“-Einsatz. Fraktionschef Oskar Lafontaine sagte, die Entsendung der Flugzeuge sei „völkerrechtswidrig“, und, „noch wichtiger: Sie verstößt gegen die Genfer Konventionen, denn es ist im Krieg verboten, unschuldige Menschen umzubringen.“ Die Bundeswehr sei eine Verteidigungsarmee und keine Interventionsarmee, die Nato sei als Bündnis ebenfalls nur zur Verteidigung geschaffen worden, so Lafontaine. Unterstützung erhielt er von ein paar Abgeordneten seiner Fraktion, die mit Plakaten darauf hinwiesen, dass in Deutschland „77 Prozent Nein“ zum „Tornado“-Einsatz sagen. „Raustragen“, rief jemand mit bayrischem Akzent aus dem Unionsblock, und ein Saaldiener geleitete die Linken aus dem Plenarsaal. Die anderen Fraktionen reagierten empört. Man wolle sich nicht unter Druck setzen lassen. „Wir müssen manchmal auch gegen Stimmungen entscheiden“, setzte Weisskirchen seine Rede fort, nachdem sich die Reihen in der Linksfraktion gelichtet hatten.