Simbabwe schafft die Landwirtschaft ab

„Landreform“ tritt in die letzte Phase: Gestern traten gegen 2.900 weiße Farmer Verbote in Kraft, ihr Land weiter zu nutzen. Unabhängige Gruppen fürchten bis zum Sommer zwei Millionen Vertriebene und eine wachsende Hungersnot

BERLIN taz ■ Simbabwes Regierung unter Präsident Robert Mugabe hat der kommerziellen Landwirtschaft ihres Landes endgültig den Todesstoß versetzt. Seit gestern ist auf 2.900 kommerziellen Farmbetrieben im Besitz von Weißen jegliche produktive Aktivität unter Strafe verboten, und die Zahl wird in den nächsten Monaten noch ansteigen. Unmittelbar verlieren 232.000 Farmarbeiter ihre Arbeit, was zusammen mit ihren Angehörigen etwa eine Million Menschen ins Elend stürzt.

Das Verbot ist Folge einer Gesetzesänderung, mit denen Simbabwes Parlament am 9. Mai eine Reihe von Präsidialdekreten des Jahres 2001 bestätigte. Demnach werden fast alle 6.000 Farmbetriebe im Besitz von Weißen für die entschädigungslose Enteignung freigegeben. Den Zeitpunkt der Enteignung teilt der Staat in richterlichen Beschlüssen mit. Wer die bekommt, muss nach 45 Tagen die Arbeit einstellen und nach spätestens 90 Tagen sein Land verlassen. Für die etwa 2.900 Betriebe, deren Besitzer zum Zeitpunkt des Parlamentsvotums einen solchen Brief bekommen hatten und von denen zahlreiche bereits von regierungstreuen Milizen besetzt sind, lief die 45-Tage-Frist gestern ab. Die Regierung will ihre so genannte „Fast-Track-Landreform“ mit der Enteignung von etwa 90 Prozent aller Farmen bis August abgeschlossen haben.

Wenn sie das schafft, wird Simbabwes Volkswirtschaft endgültig der Garaus gemacht worden sein. Die Großfarmen im Besitz von Weißen, auf denen unter anderem eine der größten Tabakernten der Welt wächst, blieben auch nach Simbabwes Unabhängigkeit 1980 das Rückgrat der Wirtschaft des Landes. Die Regierung von Robert Mugabe, vor 1980 Führer des antikolonialen Befreiungskampfes, hat immer wieder die Notwendigkeit einer radikalen Umverteilung von Land zugunsten schwarzer Kleinbauern betont, aber die 2000 begonnenen Zwangsenteignungen, oft begleitet von gewaltsamen Landbesetzungen durch Milizen, nützten nur wenigen. Ein Großteil des Landes ging an Günstlinge der Regierung; angesiedelte Landlose erhielten keine Starthilfe. Bis zu einer halben Million Farmarbeiter und ihre Familien sind vertrieben worden; bei Abschluss der Enteignungen wird diese Zahl nach unabhängigen Schätzungen etwa zwei Millionen erreichen – ein Sechstel der Bevölkerung.

Von Widerstand gegen diese Politik ist heute wenig zu spüren. Die „Commercial Farmers’ Union“ (CFU), der Dachverband der weißen Farmer, rät ihren Mitgliedern, sich zu beugen und sich damit Chancen zu erhalten, am Schluss doch noch ein wenig Land zu behalten. Die Gegner von Mugabe sind nach dessen Wahlsieg im März demoralisiert. Die Oppositionspartei MDC hat sich von ihrer per staatlichen Manipulation herbeigeführten Wahlniederlage nicht erholt. Gegen ihren Führer Morgan Tsvangirai ist nach wie vor ein Gerichtsverfahren wegen Landesverrats anhängig. Versuche der Partei, am 16. Juni zum 26. Jahrestag der Schüleraufstände im südafrikanischen Soweto Massenproteste in Simbabwes Townships zu organisieren, endeten mit Massenverhaftungen. Solche Vorgänge finden nur noch geringe Aufmerksamkeit, da ausländische Journalisten in Simbabwe kaum noch arbeiten können. Seit neuestem müssen ausländische Medien für die Akkreditierung in Simbabwe 12.000 US-Dollar hinlegen.

Ein wesentliche Faktor in der Apathie gegenüber Mugabe ist die tiefe Wirtschaftskrise, die sich inzwischen in eine Hungersnot verwandelt hat. Simbabwes Wirtschaft schrumpft im Tempo von etwa minus 10 Prozent pro Jahr. Der simbabwische Dollar, dessen offizieller Wechselkurs bei 55 zu einem US-Dollar liegt, ist auf dem Parallelmarkt weniger als ein Zehntel wert. So entspricht der staatliche Mindestlohn von 8.600 simbabwischen Dollar im Monat heute noch etwa 15 Euro – bei Lebensmittelpreisen, die nicht viel geringer sind als in Europa.

Nach UN-Angaben sind von den 12 Millionen Einwohnern Simbabwes über eine halbe Million akut von Hunger bedroht. Bis vor zwei Jahren deckte Simbabwes Maisernte den Eigenbedarf von etwa zwei Millionen Tonnen im Jahr und reichte darüber hinaus noch zu Exporten. Von 2,4 Millionen Tonnen 2000 fiel sie aber 2001 auf 0,8 Millionen und wird dieses Jahr auf etwa 0,5 Millionen sinken. Der Importbedarf ist nur zu etwa einem Fünftel gedeckt, private Maisimporte sind verboten. So breitet sich der Hunger ungebremst aus. Das wachsende persönliche Elend verändert auch die politische Stimmung: Von einer Explosion der Unzufriedenheit, die Oppositionelle noch vor einem Jahr prophezeiten, ist Simbabwe heute weit entfernt.

DOMINIC JOHNSON