Flüchtling über Asylheim in Hellersdorf: „Ein verstörender Ort“

Der Palästinenser Karim H. war unter den ersten, die die von Rechten bekämpfte Notunterkunft in Hellersdorf bezogen – und sofort wieder verließen.

Die Notunterkunft in der Carola-Neher-Straße in Hellersdorf. Bild: dpa

taz: Herr H., was denken Sie, wenn Sie „Hellersdorf“ hören?

Karim H.: Bis vor drei Tagen war es mir unbekannt. Heute würde ich sagen, es ist ein verstörender Ort.

Sie gehörten zu den ersten 42 Flüchtlingen, die am Montag die neue Notunterkunft in einer Hellersdorfer Schule beziehen sollten. Anwohner und Neonazis machen Stimmung dagegen. Wurden Sie über diese Situation informiert?

Nein. Ich war vorher im Heim in Spandau, in der Motardstraße. Dort bekamen wir nur gesagt, wir kämen in ein neues Heim, in einer sehr ruhigen Gegend.

Wie lange waren Sie in der Motardstraße?

Fünf Monate. Ich bin aus Ramallah geflohen, weil ich von Extremisten bedroht wurde, obwohl ich gar nicht politisch aktiv war.

, 28, ist im Frühjahr aus Palästina nach Deutschland geflohen. Er ist Student.

Was heißt das genau?

Ich möchte dazu lieber nicht mehr sagen, weil mein Asylverfahren noch läuft. Aber Sie können mir glauben, dass ich nicht freiwillig gegangen bin.

Wie war die Ankunft in Hellersdorf?

Als wir mit dem Bus ankamen, machten die Fahrer Blaulicht an. Überall war Polizei, ich bekam ein sehr komisches Gefühl. Wir hielten auch nicht vor dem Haus, sondern dahinter. Es tut mir leid, das zu sagen – aber ich habe gedacht, das ist wie mit Schlachttieren, denen man die Messer nicht zeigen will.

Haben Sie deshalb mit weiteren Flüchtlingen die Unterkunft sofort wieder verlassen?

Die Situation war völlig verrückt. Die Polizisten und die ganzen Journalisten, die angerannt kamen, um uns zu fotografieren. Sofort, als wir ankamen, wurde hinter uns das Tor verschlossen. Wir hatten Angst! Da haben wir beschlossen, wir gehen wieder.

Das Heim hat Sie einfach so ziehen lassen?

Wir haben noch mit einem Sicherheitsmann diskutiert, aber er hat uns dann rausgelassen. Draußen haben wir dann die Menschen gesehen, die protestierten. Ich war völlig überfordert, bin auf sie zugegangen und habe, ehrlich gesagt, die Kontrolle verloren.

Sie haben die Unterstützer der Antifa angeschrien, weil Sie dachten, es wären Flüchtlingsgegner.

Ja, es war einfach alles zu viel in dem Moment.

Haben Sie etwas von der Stimmung in der Nachbarschaft mitbekommen?

Nicht wirklich. Menschen von der Kundgebung haben uns zum Bahnhof gebracht und sind mit uns mit Bus und Bahn zurück zur Motardstraße gefahren.

Hat die Heimleitung dort versucht, Sie zurückzuschicken?

Sie haben gesagt, wir können erst mal bleiben. Wie lange, weiß ich nicht. Die Situation hier ist aber auch sehr schlecht. Es ist sehr unhygienisch und dreckig und wir sind völlig abgeschnitten. Es ist eine sehr schwere Situation gerade. Ich weiß nicht, was wir tun sollen. Haben wir kein Recht auf ein normales Leben?

Hätten Sie in Deutschland Szenen wie die in Hellersdorf erwartet?

Ich hatte ein normales, friedliches Leben erwartet. In der Universität hieß es, dass der deutsche Faschismus gescheitert ist. Aber jetzt habe ich den Eindruck, dass viele dafür immer noch starke Gefühle haben. Ich will den Deutschen nur sagen: Wir Flüchtlinge sind keine schlechte Menschen, wir wollen keinen Ärger machen. Wir hoffen nur auf ein besseres Leben, als wir es in unserer Heimat hatten.

Sollte sich die Lage beruhigen: Können Sie sich vorstellen, doch noch mal nach Hellersdorf zu gehen?

Nein. Ich kann nicht leben, wo mich andere nicht haben wollen. Aber die Leute können nicht ignorieren, dass wir existieren. Irgendwo müssen wir leben.

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