Bundeswehr rüstete Neonazis aus

■ Verteidigungsministerium gibt zu: Bundeswehr überließ Roeders „Gemeinschaftswerk“ Lkw, Kleinwagen und Material. Auswärtiges Amt hielt den Verein für seriös. Minister Rühe geht gegen zwei verantwortliche Offiziere vor

Berlin (taz) – Der Rechtsterrorist Manfred Roeder hat nicht nur einen Vortrag über die „Regermanisierung“ Kaliningrads an der Hamburger Führungsakademie der Bundeswehr gehalten. Das Verteidigungsministerium beschenkte ihn auch mit ausrangiertem Material. Ein Lastwagen, zwei Kleinwagen, Dutzende Spaten und andere Dinge erhielt Roeders „Deutsch-Russisches Gemeinschaftswerk“, mit dem er seit 1993 versucht, Rußlanddeutsche für seine revisionistische Sache im Gebiet um Kaliningrad einzuspannen. Zudem war der Inhalt seiner Rede, die er am 25. Januar 1995 vor Offizieren der Führungsakademie in Hamburg hielt, zuvor mit dem Stabschef der Akademie, Norbert Schwarzer, abgesprochen worden.

Verteidigungsminister Rühe zog gestern dennoch keine Konsequenzen für sich selbst aus den Vorfällen. Folgen hat der Skandal allerdings für die beteiligten Bundeswehroffiziere: Rühe kündigte an, gegen Oberst Schwarzer werde disziplinarisch vorgegangen. Sein damaliger Vorgesetzter in der Führungsakademie, Hartmut Olboeter, heute Chef der Personalabteilung im Bundesverteidigungsministerium, wird bis zur endgültigen Klärung des Skandals von sämtlichen Aufgaben entbunden. Manfred Roeder kommentierte die Maßnahmen Rühes gegenüber der taz ungerührt: „Wer dafür den Kopp hinhalten muß, ist mir völlig gleichgültig.“

Roeders enge Kontakte zur Bundeswehr begannen lange vor seinem Vortrag im Januar 1995. Schon im Sommer 1994 wandte sich sein „Deutsch-Russisches Gemeinschaftswerk“ mit der Bitte um ausrangierte Autos an die zentrale Materialstelle des Heeres. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurde der Antrag an das Auswärtige Amt geleitet, welches die Seriosität des Vereins prüfte. Nach dessen positivem Bescheid habe man dem Gemeinschaftswerk die geforderten Materialien zur Verfügung gestellt, sagte der Ministeriumssprecher.

Das Auswärtige Amt hätte seinerzeit längst wissen müssen, wer sich hinter dem „Gemeinschaftswerk“ verbirgt. Der Sitz des „Hilfsvereins“, der sich laut Eigendarstellung „gezielt um die Wiederansiedlung von Rußlanddeutschen in Nordostpreußen bemüht“, befindet sich seit 1993 unter der Adresse seines zweiten Vorsitzenden: Manfred Roeder. Das Auswärtige Amt war gestern zunächst nicht in der Lage, eine Auskunft zu dem Prüfungsverfahren geben.

Roeder sagte gegenüber der taz, die bereitgestellten Autos habe er Ende 1994 in zwei Bundeswehrdepots in Norddeutschland abgeholt. Da ihm die notwendigen Ausfuhrpapiere fehlten, sei er zur Führungsakademie nach Hamburg gefahren, wo er die Hilfsgüter „einige Wochen lang“ deponierte. Auf Anfrage eines ihm bekannten Offiziers habe er, Roeder, sich angeboten, einen Vortrag über die „Situation in Ostpreußen und das Gemeinschaftswerk zu halten“. Einige Zeit später habe ihn der Stabschef der Akademie eingeladen. Nach Auskunft der Bundeswehr ist Roeders Vortrag zuvor von Stabschef Schwarzer abgenommen worden. Er habe sich die Overhead-Folien und das Exposé der Rede geben lassen.

Das Seminar habe dann laut Roeder im Januar vor „etwa 30 Offizieren“ stattgefunden. Anschließend sei er zu „einem Essen in einem Restaurant der Akademie“ eingeladen worden. Roeder fühlte sich als Ehrengast. „Ich bin überall herumgefahren worden.“ Rechtsradikales will er an diesem Abend nicht gesagt haben. „Ich habe technische Informationen über die Neusiedler gegeben“, betonte er. Die Führungsakademie sei ihm nicht unbekannt gewesen. Ein Freund, so Roeder, habe „gute Kontakte dorthin“.

Dieser Kontakt, so wird im Verteidigungsministerium gemutmaßt, verschaffte dem Neonazi die Einladung. Welcher Akademiemitarbeiter sich dahinter verbirgt, ist noch unklar. Roeder wollte sich dazu gestern nicht äußern.

Vor allem erfahrene Offiziere werden an der Führungsakademie für ihre Verwendung als Stabsoffiziere ausgebildet. Daß Manfred Roeder ein exponierter Neonazi ist, war der Akademieleitung schon 1995 bekannt. Der heutige Kommandeur Rudolf Lange sagte, wenige Monate nach Roeders Vortrag habe man gewußt, wer er ist. Man habe besprochen, daß „so etwas in Zukunft nicht mehr passieren soll, daß man genauer prüft, wen man sich als Dozenten holt“. Aber dabei habe man es bewenden lassen, sagte Lange.

Annette Rogalla

Bericht und Interview Seite 6