■ Konferenz zum Bodenschutz in Bonn resümiert: Der Verlust fruchtbarer landwirtschaftlicher Flächen ist gefährlicher als der Treibhauseffekt.
: Erosion zieht der Erde den Boden weg

Konferenz zum Bodenschutz in Bonn resümiert: Der Verlust fruchtbarer landwirtschaftlicher Flächen ist gefährlicher als der Treibhauseffekt.

Erosion zieht der Erde den Boden weg

Fruchtbares Land ist vom Aussterben bedroht. Bereits ein Drittel des gesamten Ackerlandes auf der Erde ist vom Exitus bedroht. Allein durch Wind- und Wassererosion seien jährlich Ernteausfälle von 20 Millionen Tonnen Getreide zu beklagen, sagte die Direktorin des UN-Umweltprogramms (UNEP), Elizabeth Dowdeswell, auf der internationalen Konferenz zum Bodenschutz, die heute in Bonn zu Ende geht. Zugleich erhöhe sich die zu ernährende Weltbevölkerung um 250.000 Menschen täglich. Mehr als 100 Millionen stünden vor dem Verlust ihrer Lebensgrundlage, so Dowdeswell. Die 800 Konferenzteilnehmer aus 120 Ländern gehen davon aus, daß der Mangel an Bodenressourcen die Lebensverhältnisse auf der Erde schneller nachteilig beeinflussen könnte als der Treibhauseffekt.

Neben den Entwicklungsländern sind vor allem osteuropäische und zentralasiatische Staaten vom Verlust fruchtbarer Anbauflächen betroffen. Eine Erhebung des Büros der Deutschen Welthungerhilfe in Usbekistan hat gezeigt, daß weite Teile der Randzonen der zentralasiatischen Gebirgsmassive bereits völlig von der ursprünglich vorhandenen Vegetation entblößt wurden. Der Bodenverlust durch Erosion und jährlich wiederkehrende Bergrutsche sei gigantisch, so die Studie. Verantwortlich dafür sind jahrzehntelange Überweidung und Abholzung sowie eine stark intensivierte Landwirtschaft.

„Die angestrebten Steigerungen der landwirtschaftlichen Erträge haben in Zentralasien und Osteuropa zu erheblichen Bodenbelastungen geführt“, erklärt der Referatsleiter für Bodenschutz im Bundesumweltministerium, Eberhard Fleischhauer. Vor allem in Weißrußland, Moldawien, Armenien, der Ukraine und Kasachstan seien in zum Teil sehr fruchtbaren Regionen hohe Konzentrationen von Planzenschutzmittel-Rückständen ermittelt worden.

Luftverunreinigungen aus großen Industriekomplexen haben die Fruchtbarkeit der Böden ebenfalls negativ beeinflußt. Besonders betroffen von der Verminderung der Bodenqualität sind weite Gebiete der Kola- und Tamyr-Halbinseln nördlich des Polarkreises, des mittleren und südlichen Urals sowie die großen russischen Ballungszentren am Don. „Die Böden dort sind mit hohen Konzentrationen von Blei, Quecksilber und Cadmium belastet“, so Fleischhauer.

Kennzeichnend für Rußland und andere Staaten der Ex-UdSSR ist darüber hinaus eine starke Bodenverdichtung. Der Einsatz schwerer Maschinen beim Pflügen und Ernten ist etwa dafür verantwortlich, daß die Schwarzerdeböden in Südrußland – sie gehören zu den fruchtbarsten Böden der Erde – erhebliche Humusverluste erlitten haben. Die fatalen Folgen falscher Bewässerung lassen sich in Gebieten am Schwarzen und Kaspischen Meer sowie in den Zuflußgebieten des Baikalsees in Zentralasien deutlich beobachten.

Besonders drastisch ist die Situaton am Aralsee: Dort haben Wasserentnahmen für Baumwollmonokulturen aus den Hauptzuflüssen dazu geführt, daß sich das Wasservolumen des ehemals viertgrößten Sees der Erde um mehr als die Hälfte verringert hat. Hunderttausende Hektar des dort entstandenen Neulands sind durch Versalzung und Schadstoffkontamination unfruchtbar geworden; der Wind trägt das Salz ins weitere Umland. Neben dem Verlust landwirtschaftlicher Flächen wird die sinkende Produktivität in Osteuropa durch einen weiteren Aspekt beschleunigt: „Viele der verbleibenden Äcker werden wegen fehlender Betriebsmittel gar nicht erst bearbeitet“, sagt Osteuropaexperte Fleischhauer. Früher hätten beispielsweise Ungarn und Bulgarien landwirtschaftliche Produkte in ihre Comecon-Vertragsstaaten exportiert. Diese gesicherten Märkte seien nach der Öffnung größtenteils weggefallen.

Die ungeklärten Besitzverhältnisse in vielen osteuropäischen Staaten seien ebenfalls mitverantwortlich dafür, daß fruchtbares Ackerland in großem Umfang brachliegt. Denn wer wolle schon ein Feld bestellen, so Fleischhauer, das ihm morgen vielleicht schon nicht mehr gehöre? Die Ironie des Zusammenbruchs der osteuropäischen Landwirtschaft: „Der Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden ist dadurch drastisch zurückgegangen“, erklärt Eberhard Fleischhauer. „Und statistisch sinken die Erosionsschäden, weil auf den brachliegenden Äckern Büsche wachsen.“

Die Vergiftung von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen führt neben Ernährungsengpässen und Umweltschäden meistens auch zu einer gesundheitlichen Gefährdung der Bevölkerung. 1988 wurde die von solchen Risiken betroffene Fläche in der damaligen UdSSR auf rund 3,7 Millionen Quadratkilometer geschätzt. In einer Studie hat das usbekische Büro der Deutschen Welthungerhilfe am Aralsee kürzlich in fast 60 Prozent der vorgenommenen Bodenproben sowie in knapp der Hälfte der Wasserproben und aller untersuchten Lebensmittel hohe Konzentrationen von Pflanzenschutzmitteln entdeckt. Über drei Viertel aller Schwangeren und Kinder im Untersuchungsgebiet leiden an Anämie. Die Erkrankungshäufigkeit von Atmungsorganen ist heute fünfmal höher als in den 80er Jahren. Und die Kindersterblichkeit in Usbekistan hat mit 60 von 1.000 Neugeborenen einen dramatischen Höhepunkt erreicht. Michael Obert