■ Vorschlag
: Orient, den ich meine: „Arabische Nacht“ im Zoo und anderswo

Daß der imaginierte Orient mit dem realen wenig gemein hat, wissen wir. Als vor einem Jahrhundert der Suezkanal fertiggestellt wurde, war er als Ort aus 1001er Nacht mal wieder schwer in Mode, und so war es kein Wunder, daß der Berliner Zoo im Jahre 1872 mit dem Bau seines Antilopenhauses dem Zeitgeist folgte: Im Stile einer Moschee gebaut, versetzte das Gehege die exotischen Tiere in eine phantastische Märchenwelt à la kleiner Muck. Zahlreiche Käfigbauten folgten, zuletzt das Affenpalmenhaus.

Um die Jahrhundertwende entwickelte sich der Berliner Zoo, nicht zuletzt wegen seiner schmucken Restaurationsbetriebe, zu einem Zentrum des gesellschaftlichen Lebens. Jeden Tag gab es Zookonzerte, und vom unvermeidlichen Kolonialball bis zum Presseball fanden sich bis zu 100.000 Besucher in den weitläufigen Zoofestsälen ein. Im Zweiten Weltkrieg wurden viele der historischen Gebäude zerstört, und seit der Verstaatlichung des Suezkanals vor rund vierzig Jahren hat sich das westliche Orientbild drastisch gewandelt. Wenn sich heute abend das Elefantentor des Zoos zur „Arabischen Nacht“ öffnet, dann erwartet einen natürlich pure Nostalgie.

Beata und Horacio Cifuentes' Orient-Tanz-Ensemble, Nasser Kiladas Egypt-Pop-Show sowie diverse Aristen des Varieté- und Comedyfestivals bilden den künstlerischen Rahmen im festlich geschmückten Zoo: Wo sich seit fünfzig Jahren Wüstenfuchs und Panda gute Nacht sagten, soll dann wieder feierlich gewandetes Bürgertum metropolitanes Abendvergnügen einüben.

Eine ganz andere Orienterfahrung kann hingegen zur gleichen Zeit an anderer Stelle, beim Auftritt des Einmannprojekts „Muslimgauze“, gemacht werden: Der britische Hisbollah-Sympathisant Bryn Jones bastelt aus arabischen Klangschnipseln und MG-Salven faszinierende Soundcollagen. Titeln wie „Abu Nidal“, „Uzi“ und „Hebron Massacre“ kann man entnehmen, daß Jones eine etwas, nun ja, eigenwillige Vorstellung vom gegenwärtigen Nahen Osten hat. Wie gesagt: Jedem sein Orient. Daniel Bax

Arabische Nacht ab 19 Uhr im Zoo Berlin, Eingang am Elefantentor, Budapester Straße; „Muslimgauze“ ab 20 Uhr im Institut Unzeit, Erkelenzdamm 11-13, Aufgang B, 4. Etage