»Antifaschist muß rehabilitiert werden«

■ Widerstandskämpfer zu lebenslanger Haft verurteilt / Unterstützer fordern Revision des Urteils / Veranstaltung in der Pumpe

Mit einer Kampagne wollen Hamburger und Kieler Solidaritätsgruppen eine Revision des Urteils gegen den Antifaschisten Gerhard Bögelein durchsetzen, seine Freilassung aus dem Neuengammer Knast sowie eine Rehabilitierung des Widerstandskämpfers gegen den Hitlerfaschismus erwirken. Der 69jährige Bögelein war von der Schwurgerichtskammer des Hamburger Landgericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden, weil er nach Auffassung des Gerichts „heimtückisch“ den Nazirichter Erich Kallmerten im russischen Kriegsgefangenenlager Klaipeda erschlagen und an einem “Mordkomplott der Antifa“ mitgewirkt haben soll.

Der gesundheitliche Zustand von Bögelein ist nach Angaben von FreundInnen nach dem Urteil äußerst schlecht. „Er kann tage- und nächtelang nicht schlafen,“ so eine Unterstützerin zur taz. Außerdem werde er mit Medikammenten behandelt, wodurch bei ihm Konzentrationsschwierigkeiten aufgetreten seien, er keine Bücher mehr lesen oder zusammenhängende Briefe schreiben könne.

Schwere Vorwürfe erheben die Soligruppen gegen die Hamburger Jusitz, die offenkundig nur das Ziel verfolgt habe, aus einer „Mischung von Haß und Voreingenommenheit den Tod eines ihrer Kollegen zu rächen“. Eine Prozeßbeobachterin: „Fakten wurden völlig untern Tisch gekehrt.“ So habe das Landgericht weitgehend ausgeklammert, daß Kallmerten als Oberstabsrichter der Kurland Armee an 176 faschistischen Todesurteilen mitgewirkt habe, selbst unter deutschen Offizieren wegen seiner Todesurteile gegen Deserteure gefüchtet war.

Im Zeugenstand hätten bekannte Altnazis gegen Bögelein ausgesagt, während Zeugen aus dem antifaschistischen Widerstand nicht zugelassen worden seien. Einer dieser Zeugen ist der Antifaschist Ernst Duschinski, der in Klaipeda Dolmetscher gewesen war. Duschinski wird heute zu Beginn einer Veranstaltungsreihe in der Kieler „Pumpe“ über die Situation in Klaipeda referieren.

Überdies werfen die Soligruppen der Justiz eine „Verquickung“ zur Nazirichterschaft vor. Die Anklage war von Oberstaatsanwalt Harald Duhn vertreten worden, der sein Referendariat beim Nazirichter Kurt Steckel absolviert hatte. Duhn hat für Schlagzzeilen gesorgt, als er das Verfahren gegen den Richter und SS-Obersturmbandführer Arnold Strippel einstellte, nach dem er fünf Jahre über der Anklage gebrütet hatte.

Strippel hatte am 20. April 1945 im Keller der Volksschule am Bullenhuser Damm 20 jüdische Kinder erhängen lassen. Steckel, der zu Freißlers Volksgerichtshof gehörte, war es höchstpersönlich, der 1953 das Verfahren gegen Bögelein eingeleitet hatte, die Auslieferung aus der DDR jedoch nicht durchsetzen konnte.

Tage nach dem Mauerfall hatte die Hamburger Jutiz nichts Wichtigeres zu tun, als Bögeleien verhaften zu lassen und das Verfahren gegen ihn und andere neu aufzurollen, das jetzt zur lebenlangen Verurteilung führte. Eine Sprecherin der Soligruppe: „Das war die Rache der Justiz, daß einer von ihnen über den Jordan gegangen ist.“ Für die Unterstützer ist die Freilassung und Rehablilitierung Bögeleins Voraussetzung dafür, „daß die Geschichte von der Hamburger Jusitz nicht umgeschrieben, sondern wieder ins richtige Licht gerückt wird.“ Peter Müller