Uni-Bibliothek vor dem Zusammenbruch

■ Neue Bücher verstauben in den Magazinen / Rechner veraltet — Ausleihe gefährdet

StudentInnen und Profs sind sauer, die Bibliothekare überlastet, die Verwaltung steht vor einem Berg neuer Aufgaben: In der Bremer Universitätsbibliothek stecken gleich mehrere Würmer. Und niemand weiß so recht, wie lange die Kur dauern wird, bis der Standard der wissenschaftlichen Bücherei in etwa dem anderer Hochschulen angeglichen ist.

Die Mängel in der Bibliothek wirken sich inzwischen voll im studentischen Alltag aus. Beispiel Jura: Da verlangen die Hochschullehrer, daß die StudentInnen bei wissenschaftlichen Arbeiten auf die neueste Literatur zurückgreifen. Doch selbst wenn die StudentInnen wollen, sie können nicht. Denn seit dem 1.12. letzten Jahres werden die Neuanschaffungen umgehend in den Magazinen der Bibliothek eingelagert. „Das ist kein Mangel an gutem Willen“, versichert Egon Ditt, seit dem 1. Mai offiziell Direktor der Staats- und Universitätsbibliothek. Ditt, bislang Hauptabteilungsleiter Wissenschaft beim Senator für Bildung, ist nach dem Abgang des bisherigen Direktors, Hans-Albrecht Koch, nach Frankfurt/Oder von der Behörde ausgeguckt worden, überfällige Weichenstellung an der Uni-Bibliothek durchzusetzen.

30.000 neue Bücher, so Ditt, „stehen zur Zeit Schlange“, um katalogisiert zu werden. Der Grund: Die Bremer Uni hat sich mit Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zu einem „Norddeutschen Bibliotheksverbund“ zusammengeschlossen. Die Bremer EDV- Katalogisierung wurde eingestellt, der Rechner abgeschaltet. Der überfällige Anschluß an den Hamburger Zentralrechner konnte wegen technischer Probleme noch nicht hergestellt werden. Die 12 Beschäftigten, die für die Katalogisierung zuständig sind, machen deshalb seit Dezember „Trockenübungen“ (Ditt).

Die Katalogisierung jedes neuen Buches dauert rund zwei Stunden. Bis der Rückstand aufgeholt ist, können da gut zwei Jahre vergehen. Ditts Trost: „Die Vorteile des Verbunds für die Wissenschaft sind ungeheuer groß. Wenn ein Buch in Bremen nicht vorrätig ist, kann es aus Hamburg besorgt werden.“

Doch die Umstellung auf den Verbund ist bei weitem nicht das einzige Problem, das die Uni- Bibliothek zu bewältigen hat. Wie fast alle Bereiche des öffentlichen Dienstes stöhnen auch die Bibliothekare über den Personalabbau. Seit 1984 hat der ehemalige Senatsrat Wissenschaft Egon Ditt mitgeholfen, die Stellenzahl von 224 auf 150 abzubauen. „Ich trage eine Hypothek, weil der Personalabbau von mir in der senatorischen Behörde mitgetragenm worden ist“, gibt Ditt freimütig zu. In seiner neuen Funktion argumentiert Ditt anders. Da die Studentenzahl erheblich gestiegen ist, sei auch die Anforderungen an die Mitarbeiter größer geworden. Angesichts notwendiger organisatorischer Umstrukturierungen warnt Ditt deshalb davor, weiter am Personal zu knappsen. Dann sei eine sachgerechte Erfüllung der Aufgaben erheblich behindert.

Behindert wird die Arbeit auch durch die völlig überaltete Technik, mit der zum Beispiel die Ausleihe arbeitet. Die dort benutzten Rechner sind so hinfällig, daß Siemens die Wartung nicht mehr gewährleisten will. Wenn die Anlage ausfällt und ein entsprechendes Ersatzteil nicht mehr zu bekommen ist, müßte die Ausleihe eingestellt werden.

Das Zauberwort in der Bibliothek heißt jetzt DV-System. Mit dieser neuen Technik soll die hausinterne Arbeitsverteilung völlig umorganisiert werden. Die 10-Millionen-Mark zur Anschaffung des Systems stehen im Prinzip zur Verfügung, die Auschreibung steht an. Doch bis das System angeschafft und eingerichtet , die innerbetriebliche Organisation völlig umgestaltet und die MitarbeiterInnen geschult sind, werden literatursuchenden StudentInnen und wissenschaftlichem Personal noch häufig die Haare zu Berge stehen. „Die nächsten zwei Jahre werden eine rauhe Zeit“, kündigt Ditt an. Ditt selbst wird von seiner Aufgabe in einem Jahr erlöst sein. Wenn er dann in Ruhestand geht, sollen die grundsätzlichen Weichen gestellt sein. Holger Bruns-Kösters