Rechter Wind für Freiburg

Umstrittenes Berufungsverfahren bei den Juristen / Auf Lehrstuhl für Staatsrecht ein Professor mit rechtsradikaler Vergangenheit?  ■  Aus Freiburg Andrea Hösch

An der juristischen Fakultät der Universität Freiburg soll bald frischer Wind von rechts wehen: Für den scheidenden SPD -Mann Böckenförde steht jetzt Dietrich Murswiek als einziger (!) Kandidat auf der Berufungsliste für den renommierten Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht - ein Mann mit einer rechtsradikalen Vergangenheit. Selbst Böckenförde als Bundesverfassungsrichter votierte er nicht selten gegen die herrschende Meinung - schloß sich dem einstimmigen Ruf des Fakultätsrates an.

Das dubiose Berufungsverfahren, das Novum einer Einerliste sowie Murswieks politische Gesinnung ließ die rund 300 JurastudentInnen bei der Vollversammlung Krach schlagen. Dem 41jährigen Göttinger Professor für öffentliches Recht wird nicht vorrangig seine Vergangenheit zur Last gelegt - 1969 rief er zur Wahl der NPD auf -, zumal er seine damaligen politischen „Verirrungen“ zwischenzeitlich bedauert hat. Stein des Anstoßes ist vielmehr ein im März 1987 in der Zeitschrift 'Criticon‘ erschienener Aufsatz zum Thema „Umweltschutz als nationale Aufgabe“. In der Ende der 60er Jahre zur ideologischen Aufrüstung der neuen Rechten gegründeten Zeitschrift heißt es: „Wer die Forderung erhebt, die Grenzen für alle Asylbewerber und für alle anderen Ausländer zu öffnen, untergräbt damit die umweltpolitischen Ziele, die er angeblich verfolgt.“ Und weiter: „Außerdem haben die Ausländer, die in die Bundesrepublik strömen, sicherlich kein existentielles Interesse daran, unser Land in einen ökologisch akzeptablen Zustand zu bringen.“ Unter dem grünen Deckmantel der Ökologie werde die braune Ideologie einer deutschen Volksgemeinschaft verbreitet, protestierte der „Arbeitskreis kritischer Juristen“, der die Ausweitung deutschnationalen Gesinnungsgutes an der Freiburger Uni verhindern will - um so mehr, als sich derzeit in der Schwarzwaldmetropole eine republikanische Hochschulgruppe konstituiert und die ersten Schritte in die Öffentlichkeit wagt.

Für jemanden wie Murswiek gebe es in Freiburg keinen Platz, beschloß die JuristInnenvollver sammlung. Steht damit eine Neuauflage des Falles Saarbrücken bevor? Vor einem Jahr scheiterte Murswiek dort auf Entscheid der Staatskanzlei. Die Freiburger Professorenschaft hält ihm die Niederlage an der Saar sogar zugute: Murswiek sei das Opfer einer politischen Intrige geworden. Als „verfolgte Unschuld“ wurde Murswiek als einziger Kandidat auf die Berufungsliste gehievt. Mit dieser Einerliste nahm der Berufungsausschuß selbst den Verstoß gegen das baden -württembergische Universitätsgesetz in Kauf, das mindestens drei Vorschläge vorschreibt.

Daß die Fakultät mehr und mehr unter Zugzwang gerät, ist angesichts der seit viereinhalb Jahren andauernden Querelen um die Neubesetzung des Böckenförde-Lehrstuhls verständlich. Mittlerweile mußten die Freiburger auch schon drei Absagen prominenter Kandidaten einstecken.

Murswiek jedenfalls würde wollen, doch ist der geplante Durchmarsch erst mal ins Stocken geraten. Eilfertig distanzierte sich der Göttinger Professor postwendend von sämtlichen Vorwürfen der Ausländerfeindlichkeit und der Gesinnungsverwandtschaft mit den „Republikanern“. Der 'Criticon'-Aufsatz sei ein politisch-polemischer Essay und keine wissenschaftliche Abhandlung, argumentierte der Umweltrechtler. Bislang waren die Freiburger Jura-Profs mit ihm derselben Meinung, doch scheinen sie nun wohl kalte Füße bekommen zu haben: Auf Antrag des Dekans der juristischen Fakultät, Martin Billinger, hat der Senat den Fall Murswiek bis auf weiteres vertagt.