Tumulte im Monsterprozeß

Proteste von Angeklagten und VerteidigerInnen zum Auftakt des 129a-Verfahrens gegen neunzehn Kurden und Kurdinnen / Verteidigung spricht von „Schauprozeß“  ■  Von Bettina Markmeyer

Düsseldorf (taz) - Angeklagte und VerteidigerInnen blieben stehen, als am Dienstag mit einstündiger Verspätung die Hauptverhandlung im sogenannten PKK-Prozeß vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichtes in Düsseldorf eröffnet wurde. Damit protestierten sie gegen die Bedingungen dieses auf mindestens zwei Jahre angesetzten Mammutverfahrens gegen neunzehn PKK-Mitglieder, die, so der Bonner Rechtsanwalt Heydenreich, selbst in der Geschichte der 129a-Verfahren „ohne jedes Beispiel sind“. Verhandelt wird gegen neunzehn KurdInnen, alle Mitglieder der kurdischen Arbeiterpartei PKK (Patryra Karkeren Kurdistan). Generalbundesanwalt Rebmann wirft ihnen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und deren Unterstützung vor (siehe taz vom 21.10.89).

Daneben müssen sich einzelne Angeklagte wegen unterschiedlich schwerer Delikte von Urkundenfälschung über Freiheitsberaubung bis Mord verantworten.

Tumulte und Verteidigerproteste bestimmten den Auftakt dieses Monsterprozesses in einem Gerichtssaal, dessen kühler Sicherheitsfunktionalismus gespenstisch wirkt. Als der Vorsitzende Richter Jörg Belker (46) beginnt, die Personalien feststellen zu lassen, versuchen zwei Gerichtsdiener den Angeklagten Ali Aktas auf seinen Platz zu zerren. Der wehrt sich, andere Wachtmeister kommen dazu. Die VerteidigerInnen vor der Trennscheibe sehen, wie Aktas und andere in dem Gerangel „geprügelt und gewürgt“ werden. Sie protestieren lautstark, können aber nicht eingreifen. Von innen und außen donnern Fäuste gegen die Scheibe. Einige Angeklagte werden abgeführt. Die AnwältInnen verlangen ärztliche Untersuchungen. Der Vorsitzende setzt die Personalienfeststellung fort, nachdem die Abgeführten wieder in den Glaskäfig zurückgeführt worden sind.

Im eigens zu diesem Prozeß für knapp acht Millionen Mark Fortsetzung auf Seite 2

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umgebauten Gerichtssaal in einem Nebengebäude des Oberlandesgerichts sitzen auf der linken Seite fünfzehn Angeklagte hinter einer teilweise bis zur Decke reichenden Trennwand aus Plexiglas, um eine „unkontrollierte Kontaktaufnahme zwischen Angeklagten und Zuschauern zu verhindern“, so die Begründung von Bundesanwaltschaft und Gericht. Jeweils zwischen ihnen ein Wachtmeister. Schräg vor der Trennwand stehen die Tische der Wahl- und Wahlpflichtverteidiger, auf der rechten Seite des Gerichtssaales die für die Sicherungsverteidiger. Dahinter Plätze für 69 Zuhörer, die am Eingang scharf kontrolliert und deren Pässe fotografiert werden.

Hinter der Käfigwand begrüßen sich die Angeklagten, von denen die meisten seit eineinhalb Jahren in Isolationshaft sitzen. An den fünf Sprechlöchern drängen sich VerteidigerInnen, um mit ihren Mandanten zu reden, sie haben DolmetscherInnen mitgebracht. Zwei Sprechlöcher

sind durch Zuschauerstühle verstellt, für Gespräche zwischen VerteidigerInnen und Mandanten stellt das Gericht nur drei Dolmetscher zur Verfügung. Nur über Lautsprecher können die Angeklagten hören, was im Saal gesprochen wird. Über Kopfhörer kommt eine Simultanübersetzung ins Türkische, was aber nicht funktioniert.

Ständiges Gerangel auch um die Mikrofone. Angeklagte und Verteidiger können vor allem anfangs nicht sprechen, weil der Vorsitzende ihnen per Knopfdruck das Wort entzieht. Die Dolmetscher kommen nicht nach, übersetzen einfache Erklärungen der Angeklagten über ihre Zugehörigkeit zur PKK unvollständig oder falsch.

Der Protest der Angeklagten und ihrer VerteidigerInnen schlug sich in einem ersten Einstellungsantrag nieder, über den bei Reaktionsschluß noch nicht entschieden war. Anträge der Verteidigung forderten eine Änderung der Sitzordnung, den Abbau der Glaswände, Abzug der Wachtmeister innerhalb der Käfige, da so die Angeklagten „zu Objekten eines gegen sie inszenierten Schauprozesses degradieren“. Eine „ef

fektive Verteidigung“ sei unter diesen Bedingungen unmöglich und „offenbar auch nicht gewollt“. Das Gericht lehnte die Anträge ab. Zwei vom Gericht bestimmte „Sicherungsverteidiger“ baten, von ihren Aufträgen entbunden zu werden, da sie nicht das Vertrauen ihrer Mandanten besäßen. Vor dem Gericht versammelten sich ab 10 Uhr Hunderte von Demonstranten, vor allem Türken und Kurden, um gegen das Verfahren zu protestieren. In Paris besetzten KurdInnen aus Portest zeitweilig den Garten der bundesdeutschen Botschaft.