Bonn rauscht ins Katalysator–Fiasko

■ Hunderttausende von Katalysatoren verstoßen gegen die Rechtsvorschriften / Millionen Mark Steuererleichterungen zu unrecht bezahlt / Kfz–Scheine falsch

Von Manfred Kriener

Berlin (taz) - Die Affäre um die manipulierten Auto–Katalysatoren weitet sich aus. Technische Messungen an zahlreichen Autotypen haben ergeben, daß deren Abgas–Reduzierung im hochtourigen Fahrbereich fast vollständig ausfällt. Die Kat–Autos verstoßen so eindeutig gegen die Abgas– Vorschriften ihrer Klasse, daß ihre Betriebszulassung erlöschen müßte. Hunderttausende von Fahrzeugbriefen enthalten falsche Angaben, Millionenbeträge an Steuererleichterungen wurden unter falschen Vorraussetzungen gewährt. Die Bundestagsfraktion der Grünen will mit einer Strafanzeige wegen Betrugs gegen die Autofirmen vor Gericht ziehen. Autos mit geregeltem Dreiweg–Katalysator sind in der BRD nach spezifischen Rechtsvorschriften zugelassen. „Die Wirk samkeit (des Katalysators)“, heißt es z.B. in der Anlage 23 der Zulassung, „muß im gesamten Geschwindigkeitsbereich gelten.“ Und in der Anlage 25 steht explizit: „Die Abgas–Reinigungssysteme dürfen nicht mit Einrichtungen ausgerüstet sein, die diese Systeme außer Funktion setzen.“ Gegen beide Vorschriften verstoßen die Katalysator–Autos fast aller Hersteller. Wie bereits berichtet und vom TÜV Bayern amtlich bestätigt, enthalten die Mehrzahl der Kat–Modelle sogenannte Kick–Down–Einrichtungen (Schalter unterm Gaspedal) und andere Eingriffstechniken (z.B. Drosselklappenschalter), mit denen der Katalysator in seiner Funktion teilweise oder vollständig lahmgelegt wird. Im hochtourigen Bereich wird die Lamda–Sonde - eine Art Fühler, die das Luft–Kraftstoff–Gemisch schadstoffgerecht optimiert - durch die Schalter außer Kraft gesetzt. Dadurch erhält der Motor mehr Sprit und beschleunigt schneller. Bei voll wirksamem Katalysator ohne Manipulationen, dies ergaben Messungen der Grünen und des Fernsehmagazins Monitor, würden die Kat–Fahrzeuge bis zu 10 km/h langsamer fahren, die PS–Leistung wäre um etwa 5 bis 7 Prozent reduziert. Genau dies wollten die Hersteller vermeiden, und schafften durch ihre technische Nachrüstung den „vollgasfesten Katalysator“ (Eigenwerbung), der umweltfreundliches und „sportliches“ Fahren vereinigen soll. Doch die Umwelt bleibt auf der Strecke. Die Messungen der Grünen mit einem Opel Omega, mit einem BMW 525i und einem Audi 100 2,3i ergaben „gewaltige Verschlechterungen“ der Abgas– Werte bei hohen Touren. Fortsetzung auf Seite 2 Bei Kohlenmonoxid stieg der Ausstoß um den bis zu 577fachen Wert, bei Kohlenwasserstoff bis zu 51fach und auch bei den Stickoxyden wurden „leichte Verschlechterungen“ gegenüber dem Ausgangswert registriert. Das Luft–Kraftstoff–Gemisch, das durch die Lamda–Sonde geregelt wird und im Idealfall 1:1 beträgt, veränderte sich bei starken Beschleunigungen und im sogenannten Vollastbetrieb bei hoher Geschwindigkeit deutlich zugunsten des Sprits. Der Opel zeigte Werte bis zu 0,85, der BMW bis zu 0,92, der Audi bis zu 0,89. Ein klarer Beweis für das Ausknipsen der Lamda–Sonde. „Der Katalysator wird schlicht und einfach außer Kraft gesetzt. Das ist ein so klares Rechtsvergehen, klarer kann es gar nicht sein“, empört sich der grüne Abgeordnete Heiner Lohmann, der die Abgas–Untersuchungen initiierte. Am Mittwoch reagierte Umweltminister Töpfer auf die Hiobsbotschaften zum Katalysator. Er beauftragte das Kraftfahrtbundesamt, „den Hintergrund von Meldungen über Verstöße gegen Katalysator–Bestimmungen“ zu untersuchen. Töpfer bestätigte ausdrücklich, daß die geltenden Vorschriften die volle Wirksam keit des Katalysators im gesamten Geschwindigkeitsbereich verlangen. Was Töpfer verschwieg: Sein Ministerium ist seit Monaten über die Katalysator–Misere informiert. Für das Ministerium führte der Unterabteilungsleiter im Bereich Luftreinhaltung, Westheide, Gespräche mit der Automobilindustrie. Auch mit dem Verkehrsministerium stand das Umweltministerium wegen der Kat–Pleite bereits im regen Briefkontakt. Für Bonn, das den Katalysator stets in den Mittelpunkt seiner Luftreinhaltepolitik gestellt hat, sind die Enthüllungen über die Funktionsdefizite des Kat ein Schlag ins Gesicht. Für Autos wurden Millionen an Steuererleichterungen spendiert, die den gesetzlichen Vorschriften nicht genügen und genausoviel Dreck hinausblasen wie jedes andere Fahrzeug. Auch bei Smog durften die Kat–Autos zu Unrecht fahren. Angeschmiert sind auch die Besitzer von Kat–Autos, die aus Gründen des Umweltschutzes in die Zweiliter–Klasse gewechselt sind, in der der Katalysator vorgeschrieben ist. Stellvertretend für die rund 600.000 Katalysator–Besitzer wollen die Grünen jetzt gegen Opel klagen. Heiner Lohmann: „Die sollen unseren Fraktions–Opel in den Betriebszustand setzen, den wir bezahlt haben, also mit einem voll funktionierendem Katalysator“.