Hoffnungsvolle einsame Gespenster

Zum Jahrestag der Oktoberrevolution ist das neue Buch von Bini Adamczak „Gestern Morgen – Über die Einsamkeit kommunistischer Gespenster und die Rekonstruktion der Zukunft“ erschienen. Heute Abend liest sie daraus

Nach dem proklamierten „Ende der Geschichte“ über Kommunismus nachdenken zu wollen, erfordert völlig neue Ausdrucksweisen. Ausgehend von dieser knappen Überlegung hat die diskus-Redakteurin und bisher vergeblich auf eine Synthese von adornitischer Wertkritik und dekonstruktivistischem Feminismen drängende Theoretikerin Bini Adamczak in ihrem ersten Buch „Kommunismus – Kleine Geschichte, wie endlich alles anders wird“ vor drei Jahren den Weg zur Gesellschaft freier Individuen vorgelegt – erzählt in einer einfachen, kinderleichten Sprache und mit einem klugen Nachwort versehen.

Das schmale, sich zu allen gängigen Formen politischer Texte quer stellende Bändchen tappt zwar bisweilen in typische Fettnäpfchen der Kapitalismuskritik – etwa wenn der Kapitalismus zu Beginn mit einer „Krankheit“ verglichen wird –, richtet sich aber nicht nur an jene, die seit Jahrzehnten im Fetischcharakter-Kapitel festhängen, und enthält weit mehr Stoff zum Diskutieren als so manches mit Fußnoten übersättigte Theoriewerk.

Nun hat Adamczak ein weiteres Buch über den Kommunismus geschrieben, aus dem sie nun Uni auf Einladung von „Radio Loretta“ und dem Fachschaftsrat Germanistik liest: „Gestern Heute – Über die Einsamkeit kommunistischer Gespenster und die Rekonstruktion der Zukunft“. Dabei wird das Begehren nach Kommunismus anhand der bedeutendsten Revolution des 20. Jahrhunderts veranschaulicht – und gegen den Strich gebürstet: von 1939, als der NKWD in die Sowjetunion geflüchtete deutsche und österreichische KommunistInnen an die Gestapo auslieferte und die „russische Revolution ihren letzten Tod“ starb, bis zur Oktoberrevolution 1917 – im Rückwärtsgang.

Adamczak geht zurück auf „Los“ – ohne jedoch neu anzufangen: Kein Neujahrsschnee der guten Vorsätze wird hier geschippt. Vielmehr geht es ihr ums Zurückverfolgen des Fadens „bis zu dem Punkt, an dem sich der Weg scheidet, deutlich und erstmals, in richtig und falsch, in Ausgang und Sackgasse“. Und so sucht Adamczak auf dem Trümmerfeld der Geschichte nach den revolutionären Wünschen. Ihr Zugriff auf die vergessenen Träume ist dabei ein kritischer Versuch, Fehler zu verdeutlichen – um daraus zu lernen: keine sinnentleerte Traditionspflege, sondern die Suche nach Anknüpfungspunkten für zeitgemäße, radikale Subversion.GASTON KIRSCHE/ ROBERT MATTHIES

Bini Adamczak: „Gestern Morgen“, Unrast-Verlag 2007, 160 Seiten, 12 Euro. Lesung: Do, 20. 12., 19 Uhr, Uni-Hauptgebäude, Edmund-Siemers-Allee 1, Hörsaal M