Deutschsyirer startet für Deutschland: Ein Mann schwimmt sich frei

Im letzten Moment bekommt der Deutschsyrer Rafed El-Masri die Freigabe vom Olympischen Komitee Syriens: Nun kann der deutsche Rekordhalter in 50 Meter Freistil, der bei der SG Neukölln trainiert, in Peking doch für Deutschland starten.

Jetzt aber fix ab nach Peking! Bild: DPA

Das Denken in nationalen Kategorien gefällt Rafed El-Masri überhaupt nicht. Wohl auch deshalb ist dem Berliner Schwimmer die Entscheidung, für welches Land er denn bei den Olympischen Spielen an den Start gehen soll, so überaus schwer gefallen. Nun ist es Deutschland geworden.

Der viermalige Deutsche Meister über die 50 Meter Freistilstrecke hat lange mit sich gerungen. Fast zu lange. Erst im vergangenen Monat erhielt der 25-jährige Deutschsyrer, der für die SG Neukölln auf die Startblöcke steigt, vom Internationalen Schwimmverband Fina die "Freigabe des Startrechts für Deutschland", wie es offiziell hieß. Damit konnte der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) El-Masri bei der letzten Nominierungsrunde des Deutschen Olympischen Sportbundes am 15. Juli für die Olympischen Spiele vorschlagen. Sein Start für Deutschland galt damit als gesichert. So dachte man jedenfalls.

Doch plötzlich hieß es noch einmal zittern. Was fehlte, war die Freigabe des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) aus Syrien. Und die ließ bis zum vergangenen Donnerstag auf sich warten. Dann erst konnte El-Masri die Koffer packen und sich am Freitag gemeinsam mit der Deutschen Schwimm-Nationalmannschaft ins Trainingslager nach Japan aufmachen. Von dort geht es dann Anfang August direkt in die Olympiastadt Peking. "Es ist fantastisch, dass das ganze Hin und Her endlich ein Ende hat", kommentierte El-Masri auf dem Weg zum Berliner Flughafen den für ihn weitreichenden Bescheid aus Syrien.

El-Masri ist ein sportlicher Internationalist und lebt das aus. In Clausthal-Zellerfeld wurde er geboren, weil sein syrischer Vater dorthin aufbrach, um im Oberharz Geologie zu studieren. Früh erkannte die Familie El-Masri, dass sie in Deutschland eine neue Heimat gefunden hat. Als Sohn Rafed fünf Jahre alt war, beantragten die Eltern für ihn die deutsche Staatsbürgerschaft. Seitdem besitzt der deutsche Rekordhalter über 50 Meter Freistil (21:86) zwei Pässe: einen syrischen und einen deutschen. Dass dieser nationale Doppelstatus ihm in seiner Schwimmkarriere mal abwechselnd helfen und blockieren kann, daran hatte damals in der Familie El-Masri noch keiner gedacht.

Der Berliner Sportstudent Rafed El-Masri, der seit einigen Jahren im Berliner Szenestadtteil Friedrichshain wohnt, ging bei den Olympischen Spielen in Athen 2004 für Syrien an den Start. "Das habe ich damals ganz pragmatisch gesehen und danach gehandelt. An der deutschen Olympianorm schwamm ich 8/100stel vorbei. Aber ich wollte unbedingt an den Spielen teilnehmen. Dann eben für Syrien", erklärt er. Die Syrer empfingen ihn mit offenen Armen. Syrien gilt nicht gerade als Schwimmnation. Das Land war froh, einen wie El-Masri in seinem Olympia-Aufgebot zu haben.

Zwischen den Jahren 2004 und 2007 startet der Deutschsyrer weiter für die SG Neukölln, trainiert mit der Deutschen Nationalmannschaft, geht aber für Syrien an den Start. Erst in Athen 2004, dann bei den Weltmeisterschaften 2005 in Montréal und 2007 in Melbourne. Für Syrien wurde er im Jahr 2006 Asienmeister. Die Syrer versprachen ihm immer viel, "hielten aber längst nicht alles", wie El-Masri in der Rückschau sagt.

Und irgendwann merkte er auch, dass es ihm nicht sonderlich bewegt, "wenn im 5.000 Kilometer entfernten Damaskus die Leute auf der Straße stehen, Fahnen schwenken und meine Erfolge feiern, ich aber zeitgleich in einem Kreuzberger Café sitze", so El-Masri über seine Stimmungslage. Zudem schwamm er immer schneller, und der Entscheidungsdruck des Deutschen Schwimm-Verbands auf ihn nahm zu. El-Masri nutzte ja das komplette professionelle Umfeld des DSV, vertrat dann aber im internationalen Wettkampf ein anderes Land. "Ich habe es ihm richtig angemerkt, wie schwer er es sich mit der Entscheidung gemacht hat", erinnert sich der Generalsekretär des Deutschen Schwimm-Verbands, Jürgen Fornoff, an die Gespräche mit dem Sportler.

Im vergangenen Jahr schließlich rang sich der Berliner Schwimmstar dazu durch, vom syrischen Schwimmverband die Freigabe zu erbitten. Dem wurde sofort nachgegeben. Die Entscheidung des Internationalen Schwimmverbandes Fina, für Deutschland an den Start gehen zu dürfen, ließ jedoch auf sich warten. Und das Papier des NOK Syrien kam auch erst in der letzten Minute. "Warum das alles so lange gedauert hat, können wir uns auch nicht erklären", sagt Fornoff.

So stieg El-Masri knapp ein Jahr lang sportlich als Staatenloser auf die Blöcke. Drei Monate trainierte er Anfang dieses Jahres in der Schwimm-Sprinterhochburg in Miami mit den US-Athleten und -Trainern. Quasi zwischendurch kehrte er zu den Deutschen Meisterschaften nach Berlin zurück, um die vorgegebene Olympianormzeit über 50 Meter Freistil locker zu meistern. Und vergangene Woche beim Lehrgang in Berlin schwamm der Deutschsyrer deutschen Rekord über die 50 Meter Freistilstrecke in 21,86 Sekunden. "Dabei bin ich noch nicht mal in Topform", so El-Masri. Die soll in Peking kommen - und dann für Deutschland.

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