Jacke mit Geschichte: Ich war eine Plastikflasche

VEGANE MODE Immer mehr Labels produzieren nicht nur öko und fair, sondern verzichten auch auf tierische Produkte. Sie setzen dabei auf unkonventionelle Materialien und innovative Fasern. Denn, vegane Materialien auf Erdölbasis sind auch keine saubere Lösung

Neu entwickelte Kunstfasern sind umweltfreundlich und gut für die Haut

VON ULRIKE SCHATTENMANN

Große Fensterfront, heller Raum, weiße Wände, dekorativ hängen Shirts, Pullover und Hosen an Holz-Seil-Konstruktionen. Auf den ersten Blick unterscheidet sich der vegane Concept Store in Berlin Prenzlauer Berg nicht von anderen hippen Modeläden im Kiez. „Guck mal, der sieht cool aus“, sagt eine junge Frau mit modischer Kastenbrille zu ihrem Begleiter, während sie einen Parka mit Fellkapuze in den Händen dreht.

Der ist wirklich besonders, nicht nur was den Schnitt mit dem schrägen Reißverschluss anbelangt, sondern auch das Material: Denn, das Futter, das sich so weich und fein anfühlt wie Kaninchenfell, ist ein Gemisch aus Hanf, Acryl und recycelten Plastikflaschen. Bei Dear Goods sind Pelz und Wolle tabu, ebenso Seide, Leder oder Daunen.

Veganismus ist der neue Trend. Immer Menschen interessieren sich für ein Leben ohne Tierprodukte. Nach der Ernährungs- und Gastrobranche hat die neue Lifestyleströmung auch die Modewelt erreicht. Wer sich vegan ernährt – in Deutschland tun das laut Vegetarier Bund (VEBU) etwa 800.000 Menschen – legt zwar nicht auch zwangsläufig Wert auf tierfreundliche Kleidung; aber viele, die ihre Ernährung umgestellt haben, landen irgendwann auch bei veganer Mode.

Es ist gar nicht so schwierig, sich tierfreundlich einzukleiden – etwa 80 Prozent der konventionell produzierten Kleidung erfüllt die Kriterien, sagt Christina Wille, Store Managerin von Dear Goods in Berlin. „Die Herausforderung ist es, Modelabels zu finden, die vegan, öko und fair produzieren.“ Denn nicht alle Textilien, die Tierschützer feiern, sind auch nachhaltig. So marschieren strenggläubige Veganer lieber auf Plastiksohlen durch die Welt, auch wenn bei der Produktion von Kunstleder Lösemittel und Weichmacher verwendet werden und man letztlich auf Erdölchemie angewiesen ist.

Das Spannungsfeld lässt sich ganz gut an den Preisträgern des Peta Vegan Fashion Award ablesen, der 2013 zum ersten Mal verliehen wurde. Neben veganen Modepionieren – wie die Berliner High Fashion Marke Umasan oder Newcomern wie dem Streetwear-Label Bleed – befanden sich auch H&M und Esprit unter den Preisträgern. Also Unternehmen, die nicht gerade dafür bekannt sind, bei ihren Zulieferern auf faire Arbeitsbedingungen zu achten. Man sei sich des Konfliktfeldes bewusst, sagt Frank Schmidt, Peta-Kampagnenleiter für den Bereich Bekleidung, „aber wir honorieren es, wenn Modehäuser auf Exotenleder oder Echtpelz verzichten.“

Dank der Entwicklung neuer, innovativer Fasern können Designer aber inzwischen auf Materialien zurückgreifen, die gleichzeitig tier-, menschen- und umweltfreundlich sind. Etwa Modal, das aus zerkleinertem Buchenholz hergestellt wird. Der Stoff ist elastisch und fällt figurbetont, eignet sich also gut für T-Shirts oder Unterwäsche. Oder Tencel, ebenso wie Modal eine Zellulose- und damit eine modifizierte Viskosefaser; das Rohmaterial ist hier Eukalyptusholz. Der Hersteller, eine österreichische Firma, hat ein umweltschonendes Verfahren entwickelt, das mit weniger Chemie als üblich auskommt. Tencel kommt daher in der Umweltbilanz ähnlich gut weg wie die wasserintensive Ökobaumwolle und hat zudem noch andere Vorteile: Es erinnert in der Haptik und im Tragegefühl an Seide, dem Lieblingsmaterial vieler Designer.

Ein anderes spannendes Material ist Tyvek, er kommt als Dämmstoff vorwiegend in der Baubranche zum Einsatz. Anne Trautwein hat die Faser während ihres Designstudiums entdeckt und daraus ein Gestrick entwickelt. Anders als Naturwolle quillt und kratzt das aus Polyethylenfasern gepresste Spinnvlies nicht, „es ist zudem atmungsaktiv, sehr strapazierfähig und bis zu fünfmal recycelbar“, sagt die Designerin, die auf der Eco-Fashionmesse Green Showroom der diesjährigen Fashionweek in Berlin Tyvek-Maschenpullis und -kleider ihres Labels Luxaa präsentierte.

Keine Scheu vor ungewöhnlichen Materialien haben auch die Modemacher des Skater- und Surflabels Bleed bewiesen. Ihre robusten Outdoorjacken sind aus recycelten PET-Flaschen hergestellt und mit einer Membran aus Sympatex ausgestattet. Das ist ein Kunststoff, der ebenso wasser- und winddicht wie andere Funktionstextilien ist, aber aus einem geschlossenen Verwertungskreislauf stammt.

Hingucker auf den lässigen Parkas ist ein Patch aus portugiesischer Korkeiche, ein Stoff, der „die Patina und den Griff von Leder hat“, wie Michael Spitzbarth, Designer und Managing Director von Bleed, schwärmt. Bleed hat noch andere Kork-Accessoires entworfen, iPad-Hüllen etwa oder schmale Gürtel. Entdeckt hat Spitzbarth das Material bei einem Städtetrip nach Porto.