Den Mut zur Flanke in den freien Raum

FUSSBALL Natürlich geht es bei dem noch bis Sonntag dauernden Turnier von Discover Football auch um Weltoffenheit und Toleranz. Zuerst aber handelt es sich um ein Fußballturnier, bei dem ordentlich gekickt wird mit Prominenz aus Afrika und dem Nahen Osten

■ Noch bis Sonntag wird bei dem Turnier von Discover Football gekickt. Acht Teams nehmen teil, die meisten kommen aus dem Nahen Osten und Nordafrika. Anstoß zum Finale ist am Sonntag um 19.15 Uhr. Um die Spiele im Kreuzberger Willy-Kressmann-Stadion an der Dudenstraße gibt es ein weiteres Programm mit Gesprächsrunden und Kultur: heute am Freitag um 18.45 Uhr zum Beispiel debattieren die Spielerinnen zu Frauenrechten, Fußball und den arabischen Umbrüchen, und nach 21 Uhr gibt es ein Konzert mit The Anna Thompsons. Alles bei freiem Eintritt, weitere Informationen: www.discoverfootball.de

VON JAN TÖLVA

Am Rande des Viktoriaparks im Westen Kreuzbergs liegt das Willy-Kressmann-Stadion, in dem normalerweise Türkiyemspor Berlin seine Heimspiele austrägt. In dieser Woche jedoch steht dort anderes auf dem Programm: bereits zum dritten Mal lädt die Initiative Discover Football ein zum „Frauen-Fußball-Kultur-Festival“. Konkret heißt das, dass noch bis Sonntag acht Teams aus ebenso vielen Ländern ein Fußballturnier austragen, begleitet von Workshops und einem Kulturprogramm. Auch die Spiele der gerade stattfindenden Frauenfußball-EM in Schweden werden übertragen und zusammen geschaut.

Zur feierlichen Eröffnung des Discover-Football-Turniers am Dienstag versammelte sich reichlich Prominenz. Vertreter der Landes- und Bundespolitik waren genauso vor Ort wie die Botschafter einiger Länder, aus denen Teams beim Turnier teilnehmen. Der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger durfte als „Freund und Förderer des Projektes“, wie Gastgeberin Sara Schlote von Discover Football es nannte, nicht fehlen. Wie so oft während seiner Amtszeit fand er auch hier passende Worte: „Fußball ist in der Lage, sich überall auf der Welt gegen Diskriminierung einzusetzen. Dazu braucht es aber auch Menschen, die den Mut dazu haben.“

Traurige Bestätigung seiner Worte lieferte die kurzfristige Absage des libyschen Nationalteams, das eigentlich hätte teilnehmen sollen. Woran genau die Absage liege, wisse sie auch nicht, sagte Johanna Kösters von Discover Football: „Wenn Frauen Fußball spielen, geht es eben doch nicht immer nur um Sport.“ Die Vermutung, dass die Absage etwas mit dem wachsenden Einfluss islamistischer Gruppen in Libyen zu tun habe, lag jedoch zumindest nahe. Gerade in Nordafrika und dem Nahen Osten, der Region also, die in diesem Jahr den Schwerpunkt des Turniers bildet, ist die Frage, ob und wie Frauen Fußball spielen dürfen, immer wieder eine hochpolitische.

Wichtig der Austausch

Unpolitisch sein kann und will Discover Football auch gar nicht. Natürlich gehe es bei dem Festival um das Thema Gleichstellung, sagte Kösters, „aber auf spaßige und leichte Weise“. Ganz wichtig sei jedoch dazu der Austausch mit und zwischen den Teilnehmenden. Damit passe die Veranstaltung gut nach Berlin, befand Dilek Kolat (SPD), Berliner Senatorin für Arbeit, Frauen und Integration, denn Berlin stehe für „Weltoffenheit, Toleranz und Vielfältigkeit“.

Bei all den großen Worten sollte aber nicht vergessen werden, dass es sich vor allem um ein Fußballturnier handelt. Und dass die Teilnehmenden dieses durchaus ernst nehmen, zeigte sich gleich beim Eröffnungsspiel zwischen Wadi Degla aus Ägypten und Orthodox Club aus Jordanien. Die beiden Teams, die jeweils in der obersten Liga ihres Landes spielen, schenkten sich auf dem Rasen nichts. Vor rund 600 Zuschauern wirkten die Ägypterinnen jedoch von Beginn an überlegen und vor allem auch technisch besser. Zur Überraschung aller aber waren es dann die Jordanierinnen, die in der 13. Minute durch einen Nachschuss aus kurzer Distanz von Zaina Petro in Führung gingen. Kurz vor der Halbzeit hätten sie sogar per Strafstoß erhöhen können, doch Torhüterin Fawkia Elgeneidi parierte bravourös.

Direkt nach Wiederanpfiff entschied Schiedsrichterin Julia Hartwig, wie alle beim Turnier ehrenamtlich pfeifend, erneut auf Strafstoß – diesmal jedoch für Wadi Degla. Salwa Elmitwalli schnappte sich den Ball und jagte ihn ins Netz. Nur fünf Minuten später war es abermals die überragend spielende Elmitwalli, die das 2:1 und damit den Endstand erzielte. Dass die Niederlage nicht höher ausgefallen war, dafür konnten sich die Spielerinnen des Orthodox Club bei ihrer Torhüterin Mesada Ramounieh bedanken, wohl eine der besten Torhüterinnen im Nahen Osten, die wie viele Spielerinnen des Turniers auch für das Nationalteam ihrer Landes aufläuft.

Wenn die weiteren Partien des Turniers halten, was das Eröffnungsspiel versprach, dann steht den Teilnehmenden und den Zuschauern eine spannende Woche bevor mit den Teams aus Tunesien, Deutschland, dem Libanon, den Palästinensischen Gebieten sowie Polen und der Ukraine.

Zum Abschluss des Eröffnungsspieltags gab es noch ein Konzert mit Sister Fa und Sookee. Während überall auf dem Rasen kleine oder größere Gruppen weiter Fußball spielten und ein paar Tunesierinnen den Spielplatz nebenan auf Herz und Nieren prüften, schallte von der Bühne Rapmusik. Und plötzlich, als Sookee gerade einen Song gegen Nazis und Patriarchat rappte, stand fast das gesamte palästinensische Team auf der Bühne, tanzte und jubelte, und das Publikum jubelte mit. Besser als in diesem Bild lässt sich die Grundidee von Discover Football wohl kaum einfangen.