Lasst uns zusammen Pläne machen

ARCHITEKTUR Das Kommunehaus der Dutschkes und die besetzten Häuser von 1980 zeigen die Möglichkeiten kollektiven Bauens und Lebens in der Stadt. Was heute geht, fragten in der NGBK junge Architekten die alten

VON RONALD BERG

„Wie wenn der rote Großvater erzählt, so komme ich mir vor“, sagt Margarete Winkes. Winkes ist Architektin und Mitglied der Werkfabrik, eines seit 1979 bestehenden, kollektiv organisierten Büros. Sie spricht von damals, Anfang der Achtziger, als sie mit Hausbesetzern Altbauten in Kreuzberg vor dem Abriss rettete und den Leuten architektonische Hilfestellung gab, um ihnen billiges und selbstbestimmtes Wohnen zu ermöglichen. Es ist klar, dass Margarete Winkes auf die Frage: „Kann man als Architekt politisch sein?“, ohne zu zögern, mit einem schlichten Ja antwortet.

Winkes nahm am Mittwoch an einer Diskussionsveranstaltung im Rahmen der aktuellen Ausstellung „Domestic Utopias“ der NGBK teil, die sich Kollektiven in der Stadt und den Produktionsverhältnissen von Architekten widmete. Es war so etwas wie ein Generationentreffen. Stephan Becker, Robert Burghardt und Anna Heilgemeir, allesamt junge und links engagierte Architekten, treffen die Kollegen von 68 und aus Hausbesetzerzeiten. Das Anliegen der Jungen: der Rat der Alten zu kollektivem Planen, Bauen und Leben im Heute.

Anders produzieren

Winkes erzählte also von früher und stellte Projekte der Werkfabrik vor. Vor dem Bauen und Planen kommt für Winkes allerdings die Bewusstseinsbildung. Politisiert war sie – wie viele 68er – schon durch ihr Studium. Praktisch wirksam wurde ihre kritische Haltung in der Abkehr vom Neubau als ultimativer Lösung, den die Moderne bis dahin auf ihre Fahne geschrieben hatte. So bekam die Hausbesetzerbewegung Anfang der 80er Unterstützung durch linke Architekten. Anders produzieren hieß, zusammen mit den Leuten Pläne zu machen, zum Beispiel für Gemeinschaftsräume in alten, besetzten Mietkasernen.

Andreas Reidemeister, ebenfalls 68er, Generation 70+ und Architekt, ist allerdings von den Möglichkeiten des Altbaus bis heute nicht wirklich überzeugt. Er stellte noch einmal sein Kommunehaus vor, das er 1969 mit Gretchen und Rudi Dutschke entwickelt hatte. Der utopisch anmutende Gebäudeturm mit eiförmigem Grundriss zum gemeinsamen Leben, Arbeiten, Wirtschaften und Diskutieren war eigentlich für einen Standort in der Nähe der FU Berlin gedacht. Er scheiterte, wie Reidemeister meinte, an zwei Dingen: Radikalisierung und Theoretisierung der damaligen Kommunarden. Sie interessierten sich nicht für Architektur.

Und wie sieht es da heute bei den Linken aus? Es gibt einige Initiativen gegen Mietsteigerungen, und es gibt ein paar praktische Lösungsbeispiele für die gelebte Utopie des kollektiven Wohnens. Bernhard Hummel arbeitet als Architekt für das Mietshäuser Syndikat. Das Modell ermöglicht Mietern die Mitbestimmung beim Bauen und Wohnen. Die Bewohner eines Hauses als Verein und die Syndikats GmbH als Gruppe aller Hausprojekte bilden die zwei Gesellschafter des Syndikats, das Wohnraum als Gemeineigentum organisiert. In Deutschland gehören inzwischen 75 Häuser zum Syndikat, 18gdavon in Berlin, berichtete Hummel. Darunter sind Altbauten, aber auch Neubauprojekte wie die Malmöer Straße 29 in Prenzlauer Berg sind dabei.

Hummels hat das schlichte, zweistöckige Haus mit seiner Gemeinschaftsküche auf dem Dach zusammen mit den 20 Bewohnern entwickelt. Das Projekt für kollektives Wohnen mag für die Mieter gelungen sein, Hummels hingegen würde das Projekt nach eigenem Bekunden nicht noch ein zweites Mal angehen. Denn die 80 Treffen mit den Bewohnern werden dem Architekten nicht entlohnt. Die extrem niedrigen Baukosten schmälern zudem sein Honorar. Das ist also wieder mal die Krux: Das linke Projekt basiert auf Selbstausbeutung – hier des Architekten.

Das wäre zumindest ein Anhaltspunkt für eine Antwort auf die Frage gewesen, die am Schluss der Diskussion von den Jungen noch einmal gestellt wurde: Was man als Architekt politisch denn nun tun könne. Die Antwort blieb jedoch aus. Dabei läge die Lösung klar auf dem Feld der Politik: durch Änderung der Honorarordnung, mittels Modifikation der Bauvorschriften, die kollektives Wohnen bislang gar nicht vorsehen, und durch Formulierung von Gesetzen, die Spekulationen verhindern und Gemeineigentum stärken.