Politische Ausrichtung der Montagsdemos: Mission links

Stehen die neuen Montagsdemos politisch links oder rechts? Einige linke Aktivisten wollen die Teilnehmer nicht vorverurteilen und machen ihnen Angebote.

Der Aktivist Pedram Shahyar hält eine Rede auf der Berliner Montagsdemo. Bild: imago/IPON

BERLIN/ESSEN taz | Pedram Shahyar ist mit seinen 41 Jahren schon Vieles gewesen: Globalisierungskritiker bei Attac, Gezi-Aktivist, Tangolehrer und Lehrbeauftragter an der Freien Universität Berlin – Thema: Michel Foucault. Im Moment ist er aber vor allem Eines: Anschlusspunkt der neuen Montagsdemos nach links. Er reist mittlerweile durch Deutschland, von Mahnwache zu Mahnwache, und spricht anders als Mahnwachengründer Lars Mährholz nicht über die amerikanische Finanzelite – sondern über die Europäische Zentralbank. „Wir sollten zum zivilen Ungehorsam übergehen“, sagt er in Essen. Die Demonstranten applaudieren.

Die Montagsdemonstranten, glaubt Shahyar, seien nicht pauschal rechts oder antisemitisch, sondern unzufrieden. „Ich wehre mich gegen eine pauschale Kritik an den Teilnehmern, weil sie mehrheitlich aus demselben Spektrum kommen, wie das auch bei den Occupy-Demos war.“ Er sei nicht mit allem einverstanden, was Mahnwachenredner wie der Ex-Radiomoderator Ken Jebsen den Leuten erzählen. Aber Menschen, die spontan für Frieden auf die Straße gingen, sollten traditionelle Linksaktivisten nicht verurteilen.

In Berlin streifen einige junge Leute durch das Publikum der Montagsdemo. Sie verteilen Zeitungen, die den Titel „Uprising Umbrella“ tragen. Dies ist die offizielle Zeitung zu den Aktionstagen des linksradikalen Blockupy-Bündnisses. Kai sagt, er sei gekommen, weil auf den Mahnwachen „wichtige Themen angesprochen werden“. Er sei gegen „die arrogante Grundhaltung“ vieler Linker, die die Menschen hier als Rechte bezeichnen. In seiner Gruppe, deren Name er nicht in der Zeitung lesen will, hätten sie intensiv über die Mahnwachen diskutiert, nun wollen sie sich die Veranstaltung mal aus der Nähe anzusehen – nicht jedoch ohne eigenes Werbematerial.

Doch noch während des ersten Redebeitrages verschwindet die optimistische Aufgeschlossenheit sichtbar aus Kais Gesicht. Zu esoterisch, zu fremd, zu nebulös muss hier alles wirken, für einen, der linksradikale Demonstrationen gewohnt ist. Schnell stellt er fest, dass die Menschen hier „ein anderes Angebot zur Erklärung der Krise“ hätten. Nach einer halben Stunde verabschieden sich Kai und seine Mitstreiter.

Was will die „Hauptorga“?

Der Mann, der die Berliner Kundgebungen jede Woche anmeldet, heißt Lars Mährholz. Er ist nicht allein. Mährholz umgibt ein Team, das er die „Hauptorga“ nennt. Interessierte Demonstranten, sagt er, die sich nie zuvor begegnet seien, aber nun engagieren wollten. Ohne gemeinsame Vergangenheit.

Wie sich seine Hauptorga im Streitfall positioniert, war jüngst in Erfurt zu beobachten. Dort gründete sich Ende Mai eine neue Leitungsgruppe für die Montagsdemo am Erfurter Lutherdenkmal. Eine zweite Gruppe argumentierte, es seien „aktive Mitglieder der Partei Die Linke sowie der Piratenpartei unter den Verantwortlichen der derzeitigen Demo-Organisation“ und meldete kurzerhand zur selben Zeit, am selben Ort, eine Konkurrenzveranstaltung an.

Die Berliner Hauptorga habe der neuen Gruppe „den Vorrang“ in der Mahnwachen-Liste gegeben, klagten die alten Montagsdemonstranten. Zugleich verbreitete die offen rechte Facebook-Seite „Anonymous Kollektiv“ Vorwürfe, nach denen die ehemaligen Organisatoren in die Nähe des Verfassungsschutzes gerückt wurden. Als neuer Orga-Chef in Erfurt amtiert Mario Rönsch.

Wie zur Untermauerung der neuen Ausrichtung der Erfurter Kundgebung wurde zur ersten Veranstaltung nach dem Putsch Jürgen Elsässer als Redner geladen. Unter den Pfiffen und Sprechchören von etwa fünfzig Antifa-Aktivisten, begrüßte er die Anwesenden, im Duktus von Ken Jebsen, mit dem Satz: „Mein Name ist Jürgen Elsässer und meine Zielgruppe bleibt das Volk“. Ein kleiner, aber bedeutender Unterschied: bei Jebsen heißt es stets „Mensch“.

Kritische Worte sind Mährholz nicht zu entlocken

Was in Berlin über die Vorgänge und den Auftritt des Volks-Propagandisten gedacht wird, muss man aus dem Schweigen der Hauptorga herauslesen. Kritische Worte sind Mährholz nicht zu entlocken. Dagegen haben die neuen Erfurter Chefs in einem Facebook-Eintrag mit Mährholz solidarisiert.

Pedram Shahyar hat unterdessen einen offenen Brief an die neue Erfurter Leitung geschrieben. „Seit einigen Jahren tritt Jürgen Elsässer in seiner Publikation immer wieder mit schlimmen Ausfällen gegen konkrete Personen und Personengruppen in Erscheinung“, steht darin: „Lasst uns unseren humanistischen Grundkonsens schützen!“ Lars Mährholz hat diesen Aufruf nicht unterschrieben.

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