Rundgang über die Internationale Gartenschau: Gedankenloses Gärtnern

Am 26. April eröffnet in Hamburg die Internationale Gartenschau (IGS). Dank ihr ist Hamburg ist nun einmal mehr vorneweg: als Avantgarde der Ideenlosigkeit.

Sieht aus, wie der Kater eines Zukunftsrausches aus den 50ern: die Monorail-Bahn der Internationalen Gartenschau in Hamburg. Bild: dpa

HAMBURG taz | Der Hamburger ist einer, der immer etwas findet, was er sich und seiner Stadt zugute halten kann. Jetzt ist halt gerade die Internationale Gartenschau (IGS) dran. Während für jede andere Stadt solch eine Gartenschau eine heikle Herausforderung wäre, kann sich der Hamburger entspannt zurücklehnen: für Hamburg ist das ein Klacks.

Man ist schließlich nicht umsonst die Hauptstadt der Gartenschauen, sieben Mal gab es schon große Gartenausstellungen in der Stadt, „so oft wie nirgends sonst“, wie Bürgermeister Olaf Scholz der versammelten Journaille beim Pressetermin verrät. Die Flussinsel Wilhelmsburg, auf der die Schau am 26. April eröffnet, ist übrigens, auch das vergaß Scholz nicht zu erwähnen, die größte Europas. Und die ist nun ausgestattet mit einem „Central Park“: Manhattan, mach Dir schon mal Sorgen! Here comes Hamburg!

Naja, weit gereist war man ja schon immer. Da lag es nahe, sich von Jules Verne den Titel für die Schau zu borgen: „In 80 Gärten um die Welt“. Das kann man als Einladung lesen, sich mit dem reichen, exzentrischen, Whist-spielenden Engländer Phileas Fogg zu identifizieren. Dem anglophilen Hanseaten dürfte das nicht schwerfallen. Wie der Titel die Internationalität des Stadtteils spiegeln soll, so die Behauptung der Veranstalter, ist schon weniger ersichtlich.

Wilhelmsburg ist zwar in der Tat noch stark migrantisch geprägt. Die wenigsten verdanken aber ihre Anwesenheit im Stadtteil einer Lustreise. Vielleicht lässt sich der Slogan „In 80 Gärten um die Welt“ darum besser als Aufruf zum Aufbruch verstehen. Ist ja gut zu wissen, dass in der Ferne Abenteuer locken, wenn man mal wieder weiter muss, weil die IGS im Verbund mit der Internationalen Bauausstellung die Mieten hochtreibt und unbezahlbar macht.

Für alle, die jetzt aus Wilhelmsburg gehen müssen oder schon gegangen sind, gibt es immerhin eine gute Nachricht: Sie verpassen nichts. Besser noch, es bleibt ihnen einiges erspart.

Zum Beispiel der Eingangsbereich zur Gartenschau, mit einer anschließenden Schneise, die schon mal einen Vorgeschmack gibt auf die B4/75, auf die Wilhelmsburger Reichsstraße, die den Park in der Mitte zerschneidet. „Welt der Häfen“ nennt sich dieser breite Streifen, auf dem sich Rabatten-Beete aus kniehoch abgesägten Containern stauen.

Erspart bleibt ihnen auch die Monorail-Fahrt über das Gelände der IGS, die linker Hand der blühenden Hafenwelt am „Bahnhof Monorail Nord“ beginnt. Dort kann man in einen grau-weißen Plastikschlauch steigen, der auf einer aufgebockten Schiene zwischen vier und sechs Metern Höhe durch den Park gondelt. Sieht aus, wie der Kater eines Zukunftsrausches aus den 50ern.

Aber gut, die Bahn ist ja nicht dafür da, dass man sie von unten anschaut, sondern von oben herausschaut, so wie das auch bei Geisterbahnen der Fall ist, mit dem Unterschied, dass sich das Grauen auf dem Hamburger Dom schon für drei Euro erfahren lässt (und am Familientag, immer mittwochs, für zwei Euro) während der Eintritt zur IGS bei 21 Euro liegt und für die Monorail noch mal 7,50 pro Nase nachgelöhnt werden muss (Kinder 2,50 Euro).

Und was sieht man aus der Bahn heraus? Erst mal eine gewaltige Kleinteiligkeit. Das liegt einerseits an den Kleingärtner-Vereinen, um die herum der östlich von der B75 gelegene Teil des Parks gebaut ist. Andererseits ist das die Folge des Konzepts der 80 Gärten. Auf 200 bis 400 Quadratmetern, also auf Schritt und Tritt, hat man stets eine neue kleine Gartenwelt, einen Fels mit japanisch zurechtgestutzter Kiefer, daneben eine wüstenhafte pyramidale Sandskulptur und so weiter.

Ein paar in die Erde gerammte rotleuchtende Holzpfeiler, schon ist man in der afrikanischen Savanne. Oder war’s Australien? Egal, dem Hamburger reicht die Welt ohnehin nicht aus, darum gibt es als besonderen Programmpunkt „Gärtnern auf dem Mars“, futuristische Anlagen mit stacheligen Stahlblumen, die schon piksen, wenn man sie nur ansieht.

Vergleichsweise gelungen sind hingegen die im besten Fall, medizinisch ausgedrückt, minimalinvasiven Erschließungen der umliegenden Gewässer und Tümpel auf dem Gelände. Zwar stört hier und dort manchmal ein giftgrüner Pavillon, der, wäre er rot gestrichen, nach einem DB-Wartehäuschen aussehen würde. Aber da ja die Bahntrasse Hamburg-Harburg das IGS-Gelände nach Osten begrenzt, lässt sich darüber auch schmunzeln.

Ist eben alles drin im Park. Natürlich auch eine Menge Sportangebote: ein Hochseilgarten, eine Skatebord-Arena, eine Basketball-Ecke, nicht zu vergessen die Welt der Religionen mit einem maurischen Tor, einem meditierenden Buddha (dem „neuen deutschen Gartenzwerg“, wie ihn die Zeit kürzlich nannte) und in einem hinteren Winkel des Geländes die neusten Trend-Grabsteine aus der Bestattungsbranche.

„Für jeden was dabei“, das war wohl das eigentliche Motto hinter den 80 Gärten. Ein höchst populäres Motto – was es nicht besser macht. Denn eigentlich umschreibt es nichts weiter als eine gähnende Leere. Auf der Hamburger IGS zerfällt alles in Partikularitäten. Die einen mögen dies, die anderen das.

Wäre es nicht spannender gewesen, nach etwas zu suchen, was vielleicht allen gefallen könnte? Nach dem, was uns verbindet? Nach einem Universellen? Das einzige, was es auf der Hamburger IGS also nicht gibt, ist eine umfassende gestalterische Idee. Erst Ideen, das haben sie so an sich, verbinden, weil sie potenziell von jedem von uns verstanden werden können, auch wenn sich der eine oder andere das nötige Rüstzeug dafür erst beschaffen muss. Ideen sind eben fordernd.

Wo Ideen fehlen, stößt hingegen immer etwas anderes in die Lücke, das dann alles zusammenhalten soll: das schnöde Geld. Olaf Scholz hat auf verschlungenen Wegen darauf hingewiesen, als er vor dem Rundgang durch den Park das Sicherheitsgefühl pries, das die neue Brücke vermittele, die von der S-Bahn über die Gleise zur IGS führt. „Sicherheit“, fügte er an, sei überhaupt immer entscheidend für eine Stadt. Für eine Stadt, die sich aufs Geschäft versteht, erst recht.

Ideen sind höchst riskant. Sie können sich als nicht realisierbar erweisen. Sie können unverstanden bleiben oder missverstanden werden. Das wäre misslich gewesen für eine Stadt, die früher mal eine „schlafende Schönheit“ gewesen ist, jetzt aber einen Ruf zu verlieren hat, wie „Hamburg Tourismus“ anlässlich der IGS schreibt: „Inzwischen ist die Stadt zu einer der Top-Destinationen in Europa mit einem boomenden Tourismus geworden. Die Nachfrageimpulse durch die IGS werden dies noch weiter stärken.“

Na schön, Ideen sind halt nicht gefragt. Man spielt auf Nummer sicher und hält auf der IGS für jeden was Kleines bereit. Aber wäre doch gelacht, wenn wir, als Hamburger, das nicht auch positiv sehen könnten. Hamburg, diese, wie alle Welt weiß, schönste Stadt der Welt, mit der größten Flussinsel Europas und dem größten zusammenhängenden Obstanbaugebiet der Welt vor den Toren der Stadt, diese unvergleichlich amphibische Stadt mit ihrer Vielzahl an Brücken (mehr als Venedig!), Hamburg ist dank der IGS einmal mehr vorneweg: als Avantgarde der Ideenlosigkeit unter dem Primat der Ökonomie. Wenn schon, denn schon und wat mut, dat mut.

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