Erinnerung an Widerstand gegen Nazis: "Stark wollen wir sein"

Heute würde Elli Voigt 100 Jahre alt. Die im Arbeiterwiderstand aktive Kommunistin wurde 1944 in Plötzensee hingerichtet.

Elli Voigt, hier auf einem Foto aus dem Jahr 1940. Bild: privat

"In der Hoffnung auf das Leben gehe ich in den Tod." So steht es im Abschiedsbrief, den die 32-jährige Arbeiterin Elli Voigt Ende 1944 im Gefängnis Plötzensee an ihren Mann schreibt. Noch am selben Tag wird sie hingerichtet - verurteilt wegen "Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung". Sie hinterlässt zwei kleine Töchter.

Eine Straße in Lichtenberg ist nach Elli Voigt benannt, zu ihrem heutigen 100. Geburtstag organisiert die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) zwei Gedenkveranstaltungen. Doch wer war diese Frau, die ihr Leben ganz dem Widerstand gegen das Naziregime widmete?

"Ein umtriebiger und mutiger Mensch mit großer Willenskraft", sagt Annette Neumann von der VVN, die sich viel mit Voigts Leben beschäftigt hat. Das Kind einer typischen Arbeiterfamilie muss schon früh für sich selbst sorgen. Als junges Mädchen wird sie Mitglied in einem Arbeitersportverein. Wahrscheinlich kommt sie hier mit den politischen Ideen in Kontakt, die ihr Leben prägen werden. Ihre erste Ehe mit einem SA-Mann scheitert bald, auch wegen politischer Differenzen. Über ihren zweiten Mann, den Kommunisten Fritz Voigt, lernt sie den Arbeiterwiderstand kennen. In ihrem Wohnort Schönow im Nordosten Berlins gibt es mehrere große Fabriken und verhältnismäßig viele Arbeiter, die gegen die Nazis kämpfen wollen. Fritz Voigt bringt diese Menschen zusammen, es entsteht eine für den kleinen Ort erstaunlich große Widerstandsgruppe. Mehrmals wird Fritz Voigt verhaftet, 1943 ins Strafbataillon nach Griechenland geschickt. Elli Voigt führt seine Arbeit fort.

Konspiration im Garten

In Schönow kennt bald jeder die energische blonde Frau. In ihrem Garten veranstaltet sie konspirative Treffen, im Haus einer Freundin druckt sie Flugblätter, die sie unter den Arbeitern verteilt. "Sie kannte sich aus in den Betrieben und wusste genau, wer für den Widerstand zu gewinnen war", erzählt Neumann. Vor allem versucht sie, die sowjetischen Zwangsarbeiterinnen in der Kabelfabrik zu unterstützen, in der sie selbst arbeitet. Sie besorgt ihnen Essen und falsche Papiere, informiert sie über den Kriegsverlauf.

Gleichzeitig wird Elli Voigt Mitglied der kommunistischen Widerstandsgruppe um Anton Saefkow, Bernhard Bästlein und Franz Jacob, mit etwa 500 Mitgliedern eine der größten Organisationen gegen die Nazidiktatur. Sie stellt viele Kontakte zwischen dem Kopf der Gruppe und den widerständigen ArbeiterInnen in Berliner Fabriken her. Im Gegensatz etwa zur Bewegung des 20. Juli spielen Frauen im Arbeiterwiderstand und auch in der Saefkow-Jacob-Bästlein-Gruppe eine wichtige Rolle. "Elli Voigt war eine von etwa 120 weiblichen Mitgliedern, die entscheidend zum Erfolg der Gruppe beigetragen haben", sagt Bärbel Schindler-Saefkow, die Tochter von Anton Saefkow.

Weibliche Widerstandskämpferinnen? Das passte so gar nicht ins Frauenbild des Nationalsozialismus: "Frauen galten als viel zu naiv und dumm, um Widerstand organisieren zu können", so Schindler-Saefkow. "Taten sie es doch, dann geschah das natürlich nur aus aufopfernder Liebe zu ihren Männern, nicht etwa aus eigener Motivation." Viele Frauen, die verhaftet wurden, seien genau deshalb mit dem Leben davongekommen: Ihnen wurde schlicht abgesprochen, eigenverantwortlich gehandelt zu haben.

Nicht so Elli Voigt. Sie wird im Juli 1944 verhaftet und ins Frauengefängnis nach Friedrichshain gebracht. Ihr Mann ist weit weg in Griechenland, also stufen die Richter sie als selbstständig handelnde Täterin ein und verhängen die Todesstrafe. "Dass sie so bekannt war in Schönow, auch für ihre politische Einstellung, wurde ihr vermutlich am Ende zum Verhängnis", glaubt Annette Neumann.

Elli Voigt trifft das Urteil hart. Besonders sorgt sie sich darum, was man ihren beiden kleinen Töchtern erzählen wird. "Natürlich war sie eine Heldin, eine sehr mutige Frau. Aber sie war eben auch ein Mensch, der sich um seine Familie sorgt und Angst vor dem Tod hat", so Neumann. Aus den Notizen des Gefängnispfarrers, der sie in ihren letzten Stunden begleitete, spricht diese Mischung aus Furcht und Stärke: "Überzeugungstat. Zarte, blonde, nervenschwache, kindliche Frau. Bei aller Not und Angst stets zu ihrer Tat gestanden."

Am 8. Dezember wird Elli Voigt im Strafgefängnis Plötzensee enthauptet. "Ich gehe in dem Glauben an ein besseres Leben für euch. Stark wollen wir sein", schreibt sie im Abschiedsbrief an ihre Familie. Diese Worte bleiben, auch fast 70 Jahre nach ihrem Tod.

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