Band Coconami: "Wuschi-tam-tam-do-legst-di nieder"

Die Band Coconami aus München verpasst alpenländischem und fernöstlichem Liedgut einen exotischen Touch. Das Ergebnis ist humorvoll, aber nicht albern.

Das sind die Coconamis. Bild: trikont / gerald von foris

Die Band Coconami vollzählig zum Interview an den Küchentisch ihrer Münchner Plattenfirma zu kriegen, ist gar nicht so einfach: Sängerin Nami arbeitet tagsüber als Musiktherapeutin im oberbayerischen Wasserburg und muss erst mit ihren beiden Ukulelen vom Bahnhof zum Trikont-Verlagssitz nach Obergiesing spurten. Komponist Miyaji parkt derweil den Kinderwagen im Gang, pellt seinen zehnmonatigen Sohn Otto aus dem Schneeanzug und füttert ihn mit Avocado.

In der Küche sitzt bereits Coconami-Gastsänger Ferdl Schuster in voller Trachtenmontur und verteilt "Chilipeitschen"-Würste. "Die kimmt scho", brummelt er in seinen Bart, als Trikont-Chefin Eva Mair-Holmes zum wiederholten Mal versucht, Nami auf dem Mobiltelefon zu erreichen. Die Gemütsruhe des Urmünchners ist ansteckend, bald kreist das Gespräch um Wirtshaustraditionen und das Lebensgefühl der in München lebenden Japaner. 3.000 sollen es sein; als die 36-jährige Nami hereinkommt, sitzen zweieinhalb von ihnen in der Trikont-Küche.

Nami lebt seit 12 Jahren in München, Miyaji seit 15. "Ich fühle mich immer noch wie im Urlaub hier", sagt der 42-Jährige mit der Tweed-Mütze und grinst. Das liege nicht nur an den zwei Jahren Elternzeit, die er genommen habe, sondern daran, dass er "nichts Richtiges arbeiten" müsse. Vom Bäckerhandwerk, das zu erlernen der Ingenieur nach München kam, nahm er bald Abschied: Statt frühmorgens in der Backstube zu stehen, tourte er lieber mit seiner Surf-Band Tiki Tiki Bamboos durch die Clubs.

Im bayerisch-japanischen Gasthaus Nomiya, das Ferdl Schuster gehört, jobbte er als Sushi-Koch und lernte die Musiktherapiestudentin Nami kennen. Bei grünem Tee und bayerischen Gstanzln entwickelten der Urmünchner Ferdl Schuster und die japanischen Exotica-Fans ein gemeinsames Projekt. Heraus kam Coconami, eine waghalsige Mischung aus japanischem Easy-Listening-Pop, traditionellem bayerischen Liedgut und Schrägem aus aller Welt.

"Wir haben keine Angst vor uncoolen Instrumenten", betont Nami. Neben der Ukulele, die beide mit Leidenschaft spielen, kommen bei Coconami auch Blockflöte, geblasener Kamm und Karimba zum Einsatz. Dazu lässt Nami ihren glockenhellen Sopran erklingen. Ob es sich bei dem interpretierten Liedgut um ein japanisches Liebeslied, einen bayerischen Landler oder "Blitzkrieg Bop" von den Ramones handelt, ist ihnen dabei egal.

Hauptsache, es lässt sich daraus das destillieren, was Nami den "Coconami-Sound" nennt: humorvoll, aber nicht albern, lieblich, aber nicht süß. Und unglaublich seltsam im Geiste der "incredibly strange"-Sampler, die Skurriles und Trash aus aller Welt sammeln.

All diese Qualitäten finden die Wahlmünchener aus dem Fernen Osten im traditionellen bayerischen Liedgut, mit dem auch Ferdl Schuster aufgewachsen ist. Im Internat für schwererziehbare Knaben sang der heute 70-Jährige damals inbrünstig Kirchenlieder - und dann lange nichts mehr. Bis ihn seine japanischen Freunde animierten, sich an den bayerischen Klassikern in seinem Plattenschrank zu versuchen.

Auf dem ersten Coconami-Album, das 2008 bei Trikont erschien, singt Ferdl Schuster den Klassiker "Mir fahrn mit der Zilln übern See" und das Kinderlied vom "Heuschreck". Sein von Ukulele statt Hackbrett und Zither begleiteter Alt entfaltet einen warmen, ganz und gar nicht altbackenen Charme. "In New York und Osaka ham die Leid des meng", sagt Schuster und streicht sich verlegen über den Bart. "Der Ferdl war der Star!", ruft Nami, die dem allzu Bescheidenen vor jedem Auftritt Mut zuspricht. Auch wenn das Publikum vom Text genauso wenig verstand wie die Münchner von Namis japanischen Texten, kommen die alten Volkslieder überall gut an - was nicht zuletzt am Trachtenaufzug des singenden Wirts liegen dürfte.

Dass die bayerische Folklore trotz Ukulelengeschrammels und Gamsbart nicht zur Lachnummer verkommt, macht die besondere Qualität von Coconami aus. "Wir interpretieren auf unsere Weise und mit Humor - aber wir verarschen nicht", stellt Nami klar.

Für das neue Album "Ensoku", zu Deutsch Ausflug, bearbeitete man Liesl Karlstadts Quatsch-Lied "Liesl singt Chinesisch". Um die Chinesen nicht zu brüskieren, entschied man sich für ein gefaktes Japanisch. Nun heißt der Song "Nami singt Japanisch?" und beinhaltet Nonsens-Zeilen wie "wuschi-wuschi-tam-tam-do-legst-di nieder". Entscheidender Teil des Coconami-Prinzips ist, dass lustvoll in verschiedensten Musikgenres und Traditionen gewildert wird, die interpretierten Stücke aber ihre Würde behalten.

Was nach dem ersten Album als originelle Cover-Masche hätte durchgehen können, gewinnt auf "Ensoku" an Tiefe und, nun ja, Ernsthaftigkeit. Die ersten drei Songs sind Eigenkompositionen und auf Japanisch gesungen. "Ums Leben" ginge es dabei, sagt die für den Text verantwortliche Nami - was man auch von Tilman Rossmys Hamburger-Schule-Song "Loswerden" oder dem italienischen "Tintarella di luna" sagen kann.

Es gehört zu den verblüffenden Hörerfahrungen, dass selbst die schmierige Guns-'N-Roses-Ballade "Sweet Child o' Mine" in der Pling-Plong-Bearbeitung durch Coconami an Tiefe gewinnt. Dem bayerischen Liedgut zollen die beiden Wahlmünchner wieder mit Polka und Landler Tribut, wie schon auf dem ersten Album durch die charmante Interpretation von Bally Prells "Isarmärchen".

Sind Coconami der weiß-blauen "Pracht am Isarstrand" verfallen? Darüber gehen die Interpretationen am Küchentisch auseinander. "Freilich", ruft Ferdl Schuster und berichtet von Namis Erfolgen im Schuhplatteln. Auf seinen Japanreisen will der bayerische Wirt außerdem deutliche Parallelen im Lebensgefühl von Bayern und Japanern entdeckt haben. "Na ja", wiegelt Miyaji ab, dessen Deutsch immer noch halb japanisch klingt. Er möge München, letztlich sei ihm aber egal, ob er in München oder Hamburg lebe, "Hauptsache Musik machen".

Als musikalische Heimat aber hätten es Coconami mit dem Münchner Trikont-Label nicht besser treffen können. Deutschlands ältestes Independent-Label ist seit fast vierzig Jahren auf Seltenes und Abseitiges aus aller Welt spezialisiert. Das Archiv im zweiten Stock des verwinkelten Hauses lässt Musikliebhaber hyperventilieren: Rare Schellack-Aufnahmen Münchner Volkssänger, Cajun und Zydeco-Klänge aus dem Mississippidelta, Kompilationen von Drogensongs, La-Paloma-Versionen und schwarzem Country. Es gibt nichts, was es bei Trikont nicht gibt.

Dass die frühere 68er-Aktivistin und Szenemieze Mair-Holmes nun mit Otto auf dem Arm laut jodelnd durchs Haus geht, während der Geschäftsführer und frühere linke Verleger Achim Bergmann auf dem Sofa ein Schläfchen hält, gehört bei Trikont zum Arbeitsalltag.

Zusammen bricht man dann im Großraumwagen auf ins benachbarte Viertel Haidhausen, zu Ferdl Schusters bayerisch-japanisches Gasthaus. Das Nomiya ist seit 15 Jahren das zweite Wohnzimmer der Trikont-Familie. Der Kiffer-Barde Hans Söllner besteht bei jedem Verlagsbesuch auf einem zünftigen Sushi, auch andere Haus-Acts wie Funny van Dannen oder La Brass Banda verkehren dort regelmäßig. Nicht immer hat man aber Platz, denn das Nomiya ist winzig.

Den größten Raum nehmen, gleichberechtigt nebeneinander, die japanische Koch-Theke und ein bayerischer Schanktresen ein. Zu Sushi-Platte und japanischem Schweinsbraten gibt es Bier aus irdenen Krügen. Bayerisches, versteht sich. "Teures importiertes Angeberbier" gebe es bei ihm nicht, sagt Schuster. Bodenständig und sympathisch soll es zugehen, wie in Japan eben auch. "Nomiya" heißt "Trinklokal". Die Küche ist erschwinglich, die Bierpreise sind moderat. Und gelegentlich wird an den dunklen Holztischen gesungen - wie in den japanischen Gasthäusern, deren Sangeskultur Ferdl Schuster tief beeindruckt hat.

Während die Trikont-Macher dem Kaisergspritzten zusprechen, einem mit Holundersirup und Mineralwasser gemischten Weißwein, halten sich Nami und Miyaji an grünen Tee. "Mir fehlt ein Enzym - ich vertrage einfach keinen Alkohol", sagt Nami und wirkt fast froh, endlich einmal dem japanischen Klischee zu entsprechen. Bald entspricht sie noch einem weiteren: Sie geht früh, schließlich gilt es am nächsten Morgen, frisch in einen neuen Arbeitstag zu starten. Miyaji folgt wenig später: Der kleine Otto ist müde.

Eva Mair-Holmes und Achim Bergmann bleiben noch sitzen, erzählen von skurrilen Begegnungen mit Münchner Schellack-Sammlern und von ihrem neuen Projekt, den "Stimmen Bayerns". Nebenbei versucht man noch, den Schuster-Wirt für ein Solo-Album zu gewinnen. Der murmelt etwas von "depperten Ambitionen", die er nie gehabt habe. Wie um ihn Lügen zu strafen, hängt an der Wirtshauswand das Tour-Plakat von Coconami. Auch Ferdl Schuster wird dabei sein - im Dienste der bayerisch-japanischen Freundschaft.

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