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Aus Holland fühle ich doch ein Bedürfniss, wissen zu lassen, dass ich mich nicht bewusst bin, dass es eine inhaltliche Diskussion zum Thema Militäreinsatz in Afganistan geführt wurde.
Insoweit es um etwas handelte, denn doch eher um die Möglichkeit, von früheren Standpunkten zurücktreten zu können. Und diese Möglichkeit gab es nicht mehr. Nicht, weil es ein Versprechen aus 2007 gab, sondern weil Bos politisch zu wenig Kredit von Balkenende bekam.
Die deutsche Kriegsbeteiligung in Afghanistan in Frage zu stellen ist aber nicht das einzige Tabu deutscher Medien und der Mehrheit der Bundestagsabgeordneten. Man betrachte doch nur einmal die Einstellung zu Israel, wobei Antizionismus mit Antisemtismus munter in einen Topf geworfen wird.
Lieber Hr. Chauvistré, bis jetzt habe ich alle Ihre Kommentare zum Thema Afghanistan gelesen, und auch mit diesem treffen Sie den Nagel wieder auf den Kopf.
Man muss aber fairerweise sagen, dass eine Debatte anscheinend auch von Seiten der meisten Medien unerwünscht ist. Immerhin opponiert z.B. die Die Linke den Afghanistan-Einsatz nun schon seit geraumer Zeit; dies wird medial aber komplett ignoriert -- genauso wie viele andere kritische Stimmen zum Thema.
Die Ampel streitet über den Bundeshaushalt 2025. Der Finanzminister will an Außen- und Entwicklungspolitik sparen, trotz Alternativen.
Kommentar Niederlande: Streiten, gerade wenn man Krieg führt
Auch das deutsche Parlament muss den Zwang zum Konsens in Sachen Afghanistan-Einsatz aufgeben und wieder Argumente austauschen.
Zur Demokratie gehört die Uneinigkeit. Und im Zweifelsfall führt dieser Dissens zum Bruch einer Koalition. Die niederländischen Sozialdemokraten haben einen solchen Schritt jetzt vollzogen. Ihr Bestehen auf dem Abzug der Truppen aus den Kampfeinsätzen in Afghanistan ließ das Regierungsbündnis in Den Haag platzen.
In Deutschland, wo in dieser Woche wieder einmal über eine Ausdehnung des Afghanistaneinsatzes der Bundeswehr entschieden wird, ist solch eine Entwicklung bislang undenkbar. Über Haushaltskürzungen oder Wirtschaftsreformen dürfen Parteien sich profilieren und wenn nötig Koalitionen zerbrechen lassen. Aber hier geht es ums Kriegführen. Und da gelten in Deutschland ganz andere ungeschriebene Regeln. Nicht weil die Öffentlichkeit dem Militär unkritisch gegenüberstünde - im Gegenteil: Gerade weil es in der Bevölkerung eine große Skepsis gegenüber den militärischen Auslandseinsätzen gibt, haben die Interventionsbefürworter sich nie getraut, eine sachliche und ergebnisoffene Debatte zu führen. Stattdessen gab es Dogmen.
Deshalb darf keiner aus der ganz großen Koalition der Interventionsbefürworter im Parlament ausbrechen. Zwar wird stets betont, wie wichtig es für die Bundeswehr und für das Land sei, dass die deutschen Streitkräfte eine Parlamentsarmee darstellen und dass jeder Einsatz im Ausland also der ausdrücklichen Zustimmung des Bundestags bedarf. Doch was ist solch ein Verfahren wert, wenn das Ausbrechen aus diesem vermeintlichen Konsens als Verrat gebrandmarkt wird? Eine sachliche Auseinandersetzung kann so nicht stattfinden.
Von der "holländischen Krankheit" sprach man in den frühen 80er-Jahren, als der damalige deutsche Allparteienkonsens zur Doktrin der atomaren Abschreckung zu bröckeln begann. Damals lernten die Deutschen von ihren niederländischen Nachbarn, ein bis dahin als unumstößlich geltendes militärpolitisches Dogma infrage zu stellen. Es gab wieder eine sachliche und offene Debatte. Ein Nein wurde wieder akzeptiert. Von so viel Freiraum ist Deutschland heute bei der Auseinandersetzung über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan weit entfernt. Das Tabu wird nicht angerührt. Dabei sollte das niederländische Beispiel daran erinnern, was solch ein Dissens über militärische Entscheidungen vor allem ist: eine demokratische Selbstverständlichkeit.
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Kommentar von
Eric Chauvistré
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