Biobranche wächst nicht mehr: Goldene Zeiten, adé

Der Umsatz von Bioprodukten stagnierte 2009. Vor allem die Discounter hatten Einbußen in diesem Segment. Die kleinen Bioläden schließen - zugunsten neuer Biosupermärkte

"Und wer kauft uns?" Bild: seifenbläschen/photocase

BERLIN taz | Es waren goldene Zeiten für die deutsche Biobranche: Jahrelang konnten die Händler von ökologisch produzierten Lebensmittel ihre Einnahmen steigern. Noch 2008 wuchs der Markt um 10 Prozent. Selbst konventionelle Lebensmittelkonzerne wie Edeka oder Lidl verkauften immer mehr Bioprodukte.

2009 hat dieser Boom ein jähes Ende genommen. Der Umsatz der Biobranche stagnierte auf dem Vorjahresniveau bei rund 5,9 Milliarden Euro oder sei sogar etwas zurückgegangen, sagte Hans-Christoph Behr von der Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft am Mittwoch in Berlin. Hier beginnt am Freitag die Grüne Woche. Genauere Zahlen konnte Behr wegen noch fehlender Daten für Dezember nicht nennen. Fest steht aber schon jetzt: Die Biobranche ist nicht weiter gewachsen.

Dem Chef des größten deutschen Ökobauernverbands Bioland, Thomas Dosch, blieb deshalb nur einzuräumen: "Das war kein Jahr, das unter besten Vorzeichen stand." Da half es auch nicht, dass der gesamte Lebensmittelmarkt mit zirka 2,4 Prozent noch stärker eingebrochen ist.

Umweltschützer halten das Ende des Bio-Wachstums für eine schlechte Nachricht. Schließlich produzieren Ökolandwirte anders als ihre konventionell arbeitenden Kollegen ohne chemisch-synthetische Pestizide und Mineraldünger. Diese Stoffe belasten die Natur und das Klima (siehe dazu auch den nebenstehenden Artikel). Je schneller die Branche wachse, so das Kalkül der Befürworter des ökologischen Landbaus, desto stärker werde die Umwelt entlastet.

Im vergangenen Jahr spürten vor allem die konventionellen Einzelhändler, dass die Nachfrage nach Bioprodukten nachlässt. Lidl räumte nun auch "eine Kaufzurückhaltung" bei teureren Lebensmitteln ein, zu denen auch die Ökoware gehört. Dem Dachverband der Ökohersteller und -händler BÖLW zufolge haben 2009 besonders die Discounter beim Bio-Umsatz Einbußen gehabt. Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka spricht von einem "gewissen Sättigungsgrad" des Markts.

Edeka-Sprecher Alexander Lüders macht für den Einbruch der Biobranche vor allem verantwortlich, dass die Menschen wieder stärker auf die Preise achten. Die Bioprodukte seien weniger gefragt, weil die konventionelle Konkurrenz immer billiger werde. Die Discounter beispielsweise hatten 2009 ein Dutzend Preissenkungen eingeleitet, um der befürchteten Konsumzurückhaltung infolge der Wirtschaftskise vorzubeugen.

Darauf reagierten laut BÖLW gerade konventionelle Händler, indem sie auch die Preise für Bioprodukte reduzierten. Die Hoffnung, dass höhere Verkaufszahlen die geringeren Preise wettmachen, wurde von den Kunden allerdings enttäuscht: Der Umsatz zog nicht an.

Auch die Übernahme des Discounters Plus durch den Konkurrenten Netto machen Fachleute für die schlechte Entwicklung des Biomarkts verantwortlich. "Plus war sicher ökoaffiner", erklärte Marktforscher Behr. Netto dagegen schmiss nach der Fusion viele Bioprodukte aus seinem Sortiment.

Doch es gibt noch Gewinner in der Branche, namentlich Deutschlands größte Biokette Alnatura. Ihrem Erfolg ist es maßgeblich zu danken, dass die auf Öko spezialisierten Fachgeschäfte 2009 laut BÖLW schätzungsweise 4 Prozent mehr eingenommen haben. Schließlich steigerte Alnatura seinen Umsatz im Geschäftsjahr 2008/09 um 18 Prozent auf 361 Millionen Euro und eröffnete neue zehn Filialen.

"Die Kunden achten verstärkt darauf: Ist das Angebot regional und authentisch?" So begründete Alnatura-Chef Götz Rehn den anhaltenden Erfolg des Fachhandels. Doch kleine Läden können davon immer weniger profitieren. Unter dem Strich gaben fünfzig Geschäfte unter 300 Quadratmeter auf, während zwölf Märkte mit mehr Fläche eröffneten.

Allgemein stellten im vergangenen Jahr - ähnlich wie 2009 - etwa 6 Prozent mehr bäuerliche Betriebe auf Öko um. Insgesamt arbeiteten zirka 21.000 Betriebe nach ökologischen Regeln. Doch auch diese für die Umwelt entscheidenden Wachstumsraten könnten sinken, wenn die Nachfrage nach Ökoprodukten über einen längeren Zeitraum nachlässt.

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