Integration: "Kommt raus aus den Teestuben!"

Türkische Männer, die viel Zeit in Teestuben verbringen, verärgern nicht nur ihre Ehefrauen, sondern behindern auch die Integration, sagt Soziologe Ismail Ermagan.

Die Männer haben Sehnsucht nach dem Original: Teestube in Istanbul Bild: dpa

taz: Herr Ermagan, Sie sind in einer Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass türkische Teestuben die Integration behindern. Warum?

Ismail Ermagan: Die türkischen Männer halten sich in einer Parallelwelt auf - sie vernachlässigen ihre Familien, reden nur türkisch und bleiben unter sich. Es gibt keine integrationsfördernden Tätigkeiten in diesen Stuben. Im Gegenteil, die Menschen entfernen sich von der deutschen Gesellschaft.

Was genau machen Männer in den Teestuben?

Sie spielen Karten, trinken Tee und unterhalten sich - eigentlich haben die Leute dort ihren Spaß. Aber weil die meisten Männer jeden Tag viele Stunden in diesen Stuben verbringt, können sie sich kaum in die deutsche Gesellschaft integrieren. Außerdem sind viele türkischen Ehefrauen sehr unglücklich über die Teestuben-Besuche ihrer Männer.

Weswegen beschweren sich die Frauen?

Ich habe mit sehr vielen türkischen Ehefrauen gesprochen und keine war über die Existenz dieser Teestuben glücklich. Denn ihre Männer verbringen dort verhältnismäßig viel Zeit. Sie reden nicht mit ihren Frauen, beschäftigen sich nicht mit ihren Kindern und vernachlässigen ihre Arbeit. Deswegen möchten viele Frauen auch nicht, dass ihre Männer jeden Tag in die Teestube gehen.

Wer besucht eigentlich solche Teestuben?

Da gibt es keine Klassenunterschiede, aber ich habe mit Besorgnis feststellen müssen, dass auch Migranten aus der dritten Generation sich dort immer öfter aufhalten.

Gibt es Teestuben auch in der Türkei oder ist das eine Erfindung der türkischen Diaspora?

Diese Treffpunkte gibt es auch in der Türkei. Aber dort sind sie natürlich nicht integrationshemmend. Die türkischen Migranten in Deutschland besuchen die Stuben so gerne, weil sie sich an ihre Heimat erinnert fühlen. Sie sind unter ihresgleichen, was ja auch etwas Schönes ist. Aber wenn man nicht mit seinem deutschen Nachbarn redet, wie soll man sich dann integrieren?

In ihrer Studie halten Sie fest, dass in solchen Parallelwelten islamistische Propaganda auf fruchtbaren Boden fällt. Werden in den Teestuben Attentäter rekrutiert?

Leider gibt es auch Gruppen, die in diesen Stuben auch ihre politische Propaganda verbreiten -zum Beispiel die PKK. Aber in der Regel sind die Treffpunkte ganz harmlos. Also, in dieser Hinsicht gibt es keinen Grund zur Sorge.

Sie kommen auch zu der Feststellung, dass sich der deutsche Staat für die Nichtentstehung solcher parallelweltlicher Lebensbedingungen verantwortlich fühlen muss. Was soll der Staat machen?

Weil diese Parallelwelten integrationshemmend sind, muss der deutsche Staat ein Interesse daran haben, diese zu durchleuchten. Den Migranten müssen Perspektiven geboten werden, damit sie sich besser integrieren können. Bisher ist die Integration der Türken hier eher negativ verlaufen. Dabei wäre es für beide Seiten ein Gewinn, wenn man besser zueinander finden würde.

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