Die Quellen sind nicht mehr sicher

Pressefreiheit II Die Vorratsdatenspeicherung kommt und bedroht den Informantenschutz

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) Foto: dpa

KARLSRUHE taz | Journalistenverbände haben immer ­gewarnt: Wenn die Vorratsdatenspeicherung kommt, gibt es Probleme für den Quellenschutz der Medien. Die Netzpolitik-Affäre lässt solche Warnungen nun in ganz neuem Licht erscheinen.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass Telefonverbindungen zehn Wochen gespeichert werden müssen. Man könnte also im Nachhinein feststellen, mit wem ein Journalist in den letzten zehn Wochen telefoniert hat. Zudem müssen die Standortdaten aller Mobiltelefone vier Wochen gespeichert werden. Auch daraus könnte sich rekonstruieren lassen, ob und wann sich ein Journalist in der gleichen Funkzelle befand wie ein potenzieller Informant. Immerhin sollen E-Mail-Verbindungsdaten nicht gespeichert werden.

Der Gesetzentwurf ist noch nicht beschlossen. Am 21. September werden im Rechtsausschuss Experten gehört, im Oktober wird der Bundestag das Gesetz wohl beschließen. „Wenn das Vorhaben Wirklichkeit würde, könnten Journalisten anonymen Quellen keinen Schutz vor Aufdeckung mehr bieten“, kritisierte der Deutsche Journalistenverband. Auch ARD, ZDF und andere Medienakteure forderten die Politik auf, das Vorhaben nicht weiter zu verfolgen.

Bisher konnte man sich damit beruhigen, dass der Kreis der Delikte, zu deren Aufklärung die Polizei auf Vorratsdaten zugreifen kann, klein ist. „Verletzung von Dienstgeheimnissen“ etwa gehört nicht dazu. Bisher ging man davon aus, dass dies die Norm ist, mit der Quellen bestraft werden können. Nun aber zeigt sich, dass es Kräfte gibt, die auch mittels des ungleich schwereren Delikts „Landesverrat“ gegen Journalisten vorgehen wollen. Gemeint ist weniger der Generalbundesanwalt, der eher aus Konfliktscheue ein Ermittlungsverfahren eröffnete, um ein externes Gutachten einholen zu können. Aber das Bundesamt für Verfassungsschutz hat in seinem Gutachten erklärt, Netzpolitik.org habe „Staatsgeheimnisse“ verletzt. Dann ist die Ermittlung wegen Landesverrats naheliegend.

Es dürfte nicht überraschen, dass laut Gesetzentwurf bei Landesverrat durchaus der Zugriff auf die Daten der Vorratsdatenspeicherung erlaubt ist. Da sind die geplanten Normen ganz eindeutig. Journalisten könnten sich dabei auch nicht darauf verlassen, dass die Daten von Berufsgeheimnisträgern besonders geschützt sind und in der Regel nicht abgerufen werden dürfen. Diese Ausnahme greift dann nicht, wenn gegen die Journalisten selbst ermittelt wird. Und das wäre bei Landesverrat ja der Fall. Sie sind es ja, die mit ihrer Veröffentlichung einer „fremden Macht“ Kenntnis von einem Staatsgeheimnis verschaffen, das die äußere Sicherheit Deutschlands betrifft.

Auch deshalb hat Justizminister Heiko Maas (SPD) nun großes Interesse, dass das Ermittlungsverfahren gegen die Netzpolitik-Journalisten ­eingestellt wird. Man stelle sich nur vor, seine zweifelnde SPD soll im Oktober im Bundestag über die Vorratsdatenspeicherung abstimmen, während formal immer noch gegen Journalisten wegen Landesverrats ermittelt wird. Sicherheitshalber hat Maas aber auch schon angekündigt, dass er den Landesverrats-Paragraph möglicherweise entschärfen will, um die Pressefreiheit besser zu schützen. Mal sehen, ob daraus etwas wird.

CHRISTIAN RATH