Kein Schadensersatz
für Fluggesellschaften

Urteil Gewerkschaften müssen nicht für die Folgekosten von unrechtmäßigen Streiks haften

Die Airlines sehen sich bei Fluglotsenstreiks als Geiseln genommen

FREIBURG taz | Unbeteiligte Fluggesellschaften können nach einem rechtswidrigen Fluglotsenstreik keinen Schadensersatz verlangen. Das entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht am Dienstag in einem mit Spannung erwarteten Grundsatzurteil.

Streiks treffen nicht nur den Arbeitgeber, sondern meist auch die Allgemeinheit. Eine Schadensersatzpflicht wurde nun aber nur für rechtswidrige Streiks diskutiert, etwa, wenn der Streik andere unverhältnismäßig stark belastet.

Bisher hatten bei rechtswidrigen Streiks nur die Arbeitgeber Anspruch auf Schadensersatz. Praktisch spielte das aber keine große Rolle. Denn am Ende der Tarifverhandlungen einigte man sich und verzichtete auf weitere Klagen gegeneinander. Anders ist dies bei mitbetroffenen Dritten. Diese haben keinen Grund, auf Forderungen zu verzichten. Dennoch ist die Forderung nach Schadensersatz für mittelbar Streikbetroffene relativ neu. Zu abwegig erschien die Forderung wohl bisher. Dementsprechend gab es aber auch noch kein Grundsatzurteil.

Konkret wurden dort zwei Fälle verhandelt. In dem einen Fall gab es 2009 am Flughafen Stuttgart einen Streik der Vorfeldarbeiter gegen ihren Arbeitgeber, die Deutsche Flugsicherung GmbH. Die Vorfeldarbeiter helfen den Flugzeugen normalerweise beim „Einparken“. Am 6. April traten zudem die Fluglotsen, die in derselben Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) organisiert sind, in einen sechsstündigen „Unterstützungsstreik“. Die klagenden Fluggesellschaften, unter anderem die Lufthansa, hielten den Unterstützungsstreik, der zum Ausfall von 32 Flügen führte, für unzulässig.

Im zweiten Fall rief die GdF 2011 die Fluglotsen und Vorfeldarbeiter bundesweit zum Streik für bessere Tarifverträge auf. Der Streik fand dann zwar gar nicht statt, weil die Arbeitgeber kurzfristig eine Schlichtung einleiteten. Viele Reisende hatten jedoch schon ihre Flüge storniert, sodass den Fluggesellschaften bundesweit ein Millionenschaden entstand. Die Airlines kritisierten, dass sie bei Fluglotsenstreiks faktisch als Geiseln genommen werden. Sie hätten den Hauptschaden, wenn die GdF gegen die Deutsche Flugsicherungs GmbH oder Flughafengesellschaften wie Fraport streikt.

Die GdF warnte jedoch vor einer allgemeinen Schadensersatzpflicht. Ob ein Streik rechtmäßig sei oder nicht, hinge oft von Details ab, die man nicht voraussehen könne. Dieses finanzielle Risiko dürfe nicht den Gewerkschaften aufgebürdet werden.

Das Bundesarbeitsgericht wies nun – wie schon die Vorinstanzen – die Klagen der Airlines ab. Es fehle an einem zielgerichteten Eingriff in den Gewerbebetrieb der klagenden Fluggesellschaften, sagte BAG-Präsidentin Ingrid Schmid. Ob die Fluglotsenstreiks überhaupt rechtswidrig waren, ließ sie offen.

Für Streiks von LokführerInnen und ErzieherInnen dürfte nun nichts anderes gelten. (Az.: 1 AZR 754/13 und 1 AzR 875/13)

Christian Rath