ARD-Doku „Honeckers Gastarbeiter“: Das falsche Paradies

Fremdenfeindlichkeit sei deshalb ein ostdeutsches Problem, weil es in der DDR keine Ausländer gab, heißt es oft. Eine ARD-Doku widerlegt das.

Gastarbeiter aus Mosambik laufen durch die Straße in der Ex-DDR

In der DDR unerwünscht, in der Heimat als „Mad Germans“ verschrien: Mosambikaner in der ehemaligen DDR. Foto: rbb/DRA

Wenn in den letzten Monaten darüber gesprochen wurde, warum Pegida gerade in Dresden und die AFD neuerdings gerade in Erfurt so erfolgreich sind, warum vor allem in Sachsen, Thüringen und Brandenburg Flüchtlingsunterkünfte brennen und warum der braune Mob in Berlin-Marzahn, Heidenau oder Freital tobt, dann heißt es oft: „Sind eben Ossis“. Dieser Satz steht dann wahlweise für: „Die haben die Wende nicht verkraftet“, „sind depressiv und perspektivlos“ oder „Die kennen das eben nicht: Einwanderer und fremde Kulturen. Gab es nicht in der DDR“.

An all diesen Thesen ist etwas Wahres dran, aber sie reichen nur bedingt, um die Fremdenfeindlichkeit im Osten zu erklären. Dass vor allem die letzte These nicht ganz zutrifft, zeigt die ARD-Doku „Honeckers Gastarbeiter: Fremde Freunde in der DDR“. Unter all den Jubiläums-Rückblicks-Einheitsfeier-Dokus rund um den 9. November ist sie eine der interessantesten, weil sie unbeabsichtigt viel darüber erzählt, warum Fremdenfeindlichkeit zwar nicht ausschließlich, aber eben doch ein starkes Problem des Ostens ist.

„Vertragsarbeiter“ hießen die Ausländer, die die DDR vor allem aus Mosambik, Vietnam, Angola und Kuba in das Land geholt hat. Nach außen verkaufte die Staatsführung das als „sozialistischen Bruderhilfe“, als einen Akt der Solidarität und Völkerverständigung. In Wahrheit ging es aber darum, Arbeitskräfte zu finden, die die teuren Maschinen in den Volkseigenen Betrieben Tag und Nacht bedienen würden. 150.000 Vertragsarbeiter importierte die DDR ab den 70er Jahren.

Ihr Aufenthalt war bis ins kleinste Detail vertraglich geregelt: wie viel Wohnraum ihnen zustand (fünf Quadratmeter pro Person), wie lange sie im Land bleiben durften (fünf Jahre), wie lange sie abends wach bleiben durften (bis 22 Uhr), was sie nach hause schicken durften (100 Kilo Zucker in fünf Jahren). Und trotzdem erzählt eine ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiterin in der Doku „Ich kam ins Paradies“, ein Mosambikaner „Ich war wie ein Vogel: frei und flog in die DDR“.

Eingepfercht im Plattenbau

Doch die Unbeschwertheit hielt nicht lange. Die Vertragsarbeiter lebten eingepfercht in speziellen Wohnheimen. Die Doku zeigt bedrückende Bilder aus den Plattenbauten. Die DDR-Regierung wollte verhindern, dass die Arbeiter Kontakt zu Deutschen bekamen und hielt deshalb jede Information über sie zurück. Die DDR-Bürger bemerkten die Vertragsarbeiter vor allem in den Kaufhallen - daran, dass Reis und Hühnchen ausverkauft waren, wie eine Ostberlinerin im Film erzählt.

Vor allem die Mosambikaner bekamen Rassismus zu spüren. Prügelnde Skinheads gab es auch schon in der DDR und auch die Regierung wetterte intern gegen die Vietnamesen, denen sie Warenschmuggel und Schwarzarbeit nachsagte. Die Mosambikaner wurden ab Mitte der 80er noch dazu Opfer eines ganz besonderen Kuhhandels: Die DDR behielt einen Teil ihres Lohnes ein, um so die Schulden Mosambiks auszugleichen.

Die Wut darüber treibt die ehemaligen mosambikanischen Vertragsarbeiter noch heute in Maputo auf die Straße. Die Doku zeigt sie dabei, wie sie DDR-Flaggen schwenken und ihren Lohn lautstark einfordern. Nach ihrer Rückkehr galten sie in der Heimat als die „Mad Germans“, fanden keine Jobs, wurden beschimpft dafür, ihr Land in Zeiten des Bürgerkriegs allein gelassen zu haben. Er fühle sich um seine Arbeit und sein Leben betrogen, erzählt ein Mosambikaner mit „Deutschland“-Cappy und „Germany“-Pullover in der Doku.

Als nach dem Fall der Mauer die Ostdeutschen massenhaft arbeitslos wurden, verschärfte sich der Ton gegenüber den ehemaligen Vertragsarbeitern. 1991 brannte ein Wohnheim vietnamesischer Vertragsarbeiter in Hoyerswerda, 1992 in Rostock-Lichtenhagen.

Die Autoren der Doku erzählen zwar fein säuberlich die Chronik der Vertragsarbeiter nach, verzichten aber auf die Schlüsse daraus. Einen Zusammenhang zwischen den damals brennenden Wohnheimen und den heute brennenden Flüchtlingsheimen stellen sie nicht her. Den muss sich der Zuschauer schon selbst zusammenreimen. Aber das ist eben das Problem von Jahrestagsfernsehen: Die Zeitspanne der Berichterstattung ist (zu) eng abgesteckt.

„Honeckers Gastarbeiter: Fremde Freunde in der DDR“ läuft Montagabend um 23.30 Uhr bei rbb.

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