Erneut Ausnahmezustand verhängt

TUNESIEN Nach dem Attentat im Zentrum von Tunis mit 13 Toten spricht Präsident Essebsi vom „Krieg gegen den Terrorismus“

Tunesische Forensiker untersuchen den bei einem Bombenanschlag zerstörten Bus Foto: Foto:Zoubeir Souissi/reuters

VON Reiner Wandler

MADRID taz | Es waren Bilder des Schreckens, die am Dienstagnachmittag die belebte Avenue Mohamed V. in Tunis bot. Ein Selbstmordattentäter war offenbar kurz nach 17 Uhr in einen Bus der Präsidentengarde gestiegen, der vor dem ehemaligen Sitz der aufgelösten Staatspartei RCD parkte, und sprengte sich in die Luft. Der Bus wurde auseinandergerissen und ging sofort in Flammen auf. 13 Soldaten kamen dabei ums Leben. 20 weitere Personen, darunter vier Zivilisten, wurden zum Teil schwer verletzt.

Am Mittwoch fand die Polizei in dem Wrack Reste einer weiteren Leiche. „Es könnte sich um den Selbstmordattentäter handeln“, erklärte Gesundheitsminister Said Aidi. Das Innenministerium wollte dies noch nicht bestätigen. „Wir wollen genaue Informationen geben“, hieß es.

Staatspräsident Beji Caïd Essebsi verkündete noch am gleichen Abend in einer Ansprache, die von allen Fernsehsendern zeitgleich ausgestrahlt wurde, den Ausnahmezustand für mindestens 30 Tage. Außerdem verhängte er über den Großraum Tunis eine Ausgangssperre von 21 Uhr bis 5 Uhr morgens. Der Staatschef, der einen offiziellen Besuch in die Schweiz absagte, sprach vom „Krieg gegen den Terrorismus“ und versuchte, die Bevölkerung zu beruhigen. „Ich will dem tunesischen Volks versichern, dass wir den Terrorismus besiegen werden“, erklärte er.

Erst vor zwei Wochen hatte die Regierung eine Terrorwarnung ausgegeben und die Polizeipräsenz in den großen Städten und den Touristengebieten verstärkt. Nach dem Anschlag vom Dienstag wurden überall in der Hauptstadt Straßensperren errichtet. Autos und Fußgänger werden gestoppt und kontrolliert. Der Flughafen von Tunis darf nur von Reisenden ohne Begleitung betreten werden.

Es war der erste schwere Terroranschlag in der tunesischen Hauptstadt, seit im März ein bewaffnetes Kommando das Bardo-Museum überfiel. Dabei kamen 21 Touristen und ein Polizist ums Leben. Im Juni drangen mit Maschinenpistolen bewaffnete Männer in ein Hotel im Badeort Sousse ein und erschossen 38 Touristen. Seither bleiben zusehends die Touristen aus. Über 70 Hotels stellten den Betrieb ein. Zu beiden Anschlägen bekannten sich Gruppen des „Islamischen Staates“ (IS). Zu der Attacke auf den Militärbus bekannte sich zunächst niemand. Doch die Behörden ermitteln in die gleiche Richtung.

Auch der Chef der islamistischen Ennahda, Rachid Ghannouchi, verurteilte den Anschlag scharf

Politik und Zivilgesellschaft zeigten sich am Dienstag schockiert. Die Gewerkschaft UGTT, die mit drei weiteren Organisationen für ihre Vermittlung zwischen verschiedenen politischen Kräften auf dem Weg zur Demokratie nach dem Sturz des Diktators Ben Ali den Friedensnobelpreis 2015 erhalten hat, setzte alle Arbeitskämpfe und Demonstrationen aus.

„Die Terroristen haben keinerlei politisches Projekt“, versicherte am Dienstag Moncef Marzouki, der bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Winter gegen Essebsi unterlegen war. „Sie wollen Angst verbreiten, damit niemand mehr ein normales Leben führen kann.“ Auch Rachid Ghannouchi, Chef der größte Oppositionspartei des Landes, der islamistischen Ennahda-Partei, verurteilte den Anschlag scharf. „Tunesien ist größer als das, was die Terroristen glauben machen wollen. Ihre Versuch der Sabotage wird keinen Erfolg haben, dank der Geschlossenheit unseres Volkes und dem Mut der Sicherheitskräfte“, erklärte er.

Tunesiens Polizei, Gendarmerie und Armee sind seit Jahren im Einsatz gegen bewaffnete Gruppen. Vor allem in den Grenzgebieten zu Algerien und Libyen kommt es immer ­wieder zu Gefechten mit islamistische Kommandos, die al-Qaida oder dem IS nahestehen. Dabei verloren Dutzende von Polizisten und Soldaten ihr Leben. ­Tunesien ist mit rund 3.000 meist jungen Menschen das Land, das am meisten ausländische Kämpfer in den Reihen des IS in Syrien, dem Irak und in Libyen stellt. Rund 300 sollen, so Schätzungen der Sicherheitsbehörden, zurückgekehrt sein. In den vergangenen Monaten ­wurden die Grenzkontrollen ­verstärkt.