Die Grünen und der Gender-Star: Mehr als nur Mann und Frau

Die Grünen wollen künftig den Gender-Star nutzen, um niemanden sprachlich auszuschließen. Daran gibt es hämische Kritik – die nach hinten losgeht.

Ein Sternenhimmel durch das Hubble-Weltraumteleskop.

Ganz schön viele Sterne Foto: reuters

Die Grünen haben die Schwäche des Binnen-I erkannt. Nein, es ist nicht die oft beschworene erschwerte Lesbarkeit der Texte. Es ist auch nicht der angeblich phallische Charakter des Buchstaben und die männliche Dominanz, die er vermeintlich ausdrückt. Das Problem ist viel grundlegender: Das Binnen-I hat Frauen zu mehr Sichtbarkeit verholfen; immer noch unsichtbar sind aber Menschen, die mit den Kategorien „Mann“ oder „Frau“ nicht beschrieben werden wollen oder können.

Auf der Bundesdelegiertenkonferenz am Wochenende wollen die Grünen über den neuen Leitfaden geschlechtergerechter Sprache abstimmen und das Sternchen zum neuen Star des Genderns erheben. Dadurch sei sichergestellt, „dass alle Menschen gleichermaßen genannt und dadurch mitgedacht werden“, heißt es im Antrag des Bundesvorstandes. So werde man auch transsexuellen, transgender und intersexuellen Personen gerecht.

Gefundenes Fressen für alle, die mit ungebrochener Hingabe an ihrem generischen Maskulinum hängen. So weist Spiegel Online darauf hin, der Bundesvorstand halte sich selbst nicht an die Anwendung des Sternchens. Dort glaube man wohl, nur Männer wuchteten Koffer oder arbeiteten in Onlineredaktionen, immerhin sei in einem Leitantrag die Rede „von den Berufsbildern ‚Flughafenpacker‘ und ‚Onlineredakteur‘“.

Nun steht in dem Leitantrag zur Arbeitszeitpolitik, dass permanente Verfügbarkeit zum Alltag vieler Arbeitender gehöre – „seien es der Onlineredakteur oder die Projektmanagerin, der Flughafenpacker oder die Servicekraft im Schnellrestaurant“. Es geht also um beispielhaft ausgewählte Personen, nicht um das Berufsbild. Klar hätten die Grünen die Geschlechter auch entgegen der gängigen Rollenbilder verteilen können. Ihnen daraus einen Strick in Sachen Gender-Star drehen zu wollen ist aber unangebracht.

Und in seiner Satire-Abteilung SPAM lässt Spiegel Online sein Publikum unter der Überschrift „*innen,***innen*** oder *i*n*n*i*n*n*e*n?“ über die Pläne der Grünen abstimmen. Zur Auswahl stehen Aussagen wie „So ein ganz kleiner Busen mit noch kleinerer Brustwarze statt Stern – das wär’s“, oder „Find ich super. Erinnert mich an die Häkeluntersetzer meiner Oma, also doch ein wunderschönes Frauensymbol“. Schon in Ordnung, ist ja Satire. Gut gemacht geht aber anders.

Auch etwas vorschnell ist die Kritik der WAZ. Diese bemängelt, dass kein Wort über die viele Zeit falle, die Leser*innen durch die ungewohnte Schreibweise verlieren würden. Um diese nur schwer erträgliche Belastung zu verdeutlichen, hat die Redaktion den Text gleich ein zweites Mal ins Netz gestellt – in der mit dem Sternchen durchgegenderten Variante.

Leider hat sie damit eindrucksvoll bewiesen, nicht einmal die weibliche Form einiger Wörter zu beherrschen. So finden sich in dem Text Worte wie „Bundesdelegiert*innenkonferenz“ und „Hochschulangestellt*innen“. Eine Bundesdelegiertin? Eine Hochschulangestelltin? Nie gehört.

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