NSU-Prozess

Zweieinhalb Jahre nach Prozessbeginn bricht die Hauptangeklagte ihr Schweigen. Sie lässt ihren Anwalt eine lange Erklärung verlesen und

„Sie ist keine naive Nazibraut“

Kläger Zschäpe hat aus Eitelkeit ihr Schweigen gebrochen, vermutet die Anwältin Gül Pinar. Die Aussage habe nichts Neues gebracht

Gül Pinar

Foto: Archiv

Die Rechtsanwältin vertritt die Familie des Lebensmittelhändlers Süleyman Taşköprü als Nebenklägerin.

taz: Frau Pinar, nach zweieinhalb Jahren hat Beate Zschäpe ihr Schweigen gebrochen. Hat ihre Aussage den Opfern geholfen?

Gül Pinar: Nein. Ihre Aussage hat keine neuen Erkenntnisse gebracht.

Welche Erwartungen hatten ihre Mandaten?

Sie haben natürlich erwartet, dass die Aussage Licht in die Sache bringt und wir endlich die Wahrheit erfahren. Diese Erwartung habe ich nicht geteilt. Wir bereiteten unsere Mandanten auch schon während des gesamten Verfahrenes auf die mögliche Enttäuschung vor, nicht zu erfahren, warum ihr Angehöriger Opfer wurde. Die Aussage von Zschäpe hat mich in meiner Annahme bestätigt. Die Worte des Bedauerns, die sie heute ­vortragen ließ kommen etwas spät.

Die Hauptbeschuldigte will sich bisher nicht den Nebenklagevertretern stellen. Missachtet Zschäpe die Opfer?

Sie hat zwar heute versucht, sich zu entschuldigen, aber den Opfern will sie sich nicht stellen.

Welche Motive, vermuten Sie, hatte Zschäpe, um nach fast 250 Verhandlungstagen zu reden?

Ihre Eitelkeit und die Tatsache, dass sie jetzt versteht, dass sie verurteilt werden wird.

Haben Sie schon einmal ein so langes Schweigen im Gerichtssaal erlebt?

Ich habe noch nie erlebt, dass ein Mandant länger als zehn Verhandlungstage stillhalten konnte. Zschäpe aber verzieht kaum eine Miene. Sie ist keine naive Nazibraut. Im Gegenteil: Sie wirkt stolz darauf, durch den Prozess in der Szene eine Ikone zu sein.

Hat ihre Einlassung Einfluss auf das Urteil?

Das wird die Glaubhaftigkeitsüberprüfung zeigen. Die kann aber nicht uneingeschränkt stattfinden, da Zschäpe die Fragen nur schriftlich beantworten will. Mann kann es glauben, muss es aber nicht.

Interview Andreas Speit