Wohlstand für alle ist möglich

STEUERNDER STAAT Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger erklärt in seinem Buch „Ist der Markt noch zu retten?“, warum Ludwig Erhards alte Maxime die richtige Antwort auf die Weltwirtschaftskrise ist

Es ist eine überraschende Einsicht, die die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise für uns parat hält: nationalstaatliche Wirtschaftspolitik in der Epoche der Globalisierung ist keineswegs von gestern. Mehr als ein Jahrzehnt galt das Mantra, dass Keynesianismus in der Globalära nicht mehr funktioniere, die Regierungen keine Instrumente für eine makroökonomische Globalsteuerung hätten und Volkswirtschaften in einem Wettbewerb zueinander stünden, der sich von dem zwischen Schuhfabrikanten nicht unterscheide. Damit die Lohnkosten für die Unternehmer fallen, müssten Steuerdumping betrieben, die Staatsquote zurückgefahren und Sozialleistungen beschnitten werden. Nur so könne man noch wettbewerbsfähig bleiben in der Konkurrenz mit China, Brasilien oder dem polnischen Klempner.

Jetzt sieht man plötzlich, wie wenig daran wahr war. Die Staaten legen Konjunkturprogramme auf, und keineswegs ist es so, dass „die Wirtschaft“ allein in „der Wirtschaft“ gemacht wird. Selbstverständlich ist es besser, wenn so viel wie möglich international koordiniert wird und einiges – allen voran die Geldpolitik der EU – sind sowieso nur mehr transnational möglich. Aber die Regierungen haben Möglichkeiten – um es vorsichtig auszudrücken.

„Zu den überraschenden Befunden dieses Jahrzehnts zählt die Erkenntnis, dass es durch die Globalisierung zu keinem Steuerschwund des Nationalstaates gekommen ist“, schreibt Peter Bofinger in seinem neuen Buch „Ist der Markt noch zu retten?“. Der Staat schrumpfte da, wo das politisch gewollt war. Punktum.

Bofinger, seit seinem Einzug in den Rat der „Wirtschaftsweisen“ einer von Deutschlands Star-Ökonomen, mahnt leidenschaftlich zur Umkehr. Er möchte zurück zur „sozialen Marktwirtschaft“ à la Ludwig Erhard und seiner Maxime, dass staatliche Wirtschaftspolitik „Wohlstand für alle“ herstellen soll. Das ist, so Bofinger, auch unter Bedingungen der Globalisierung möglich, wirtschaftlich nützlich, unter sozialen Gesichtspunkten gerecht und unter demokratischen Gesichtspunkten unabdingbar. „Lohnzurückhaltung und der Abbau sozialer Sicherheitsnetze haben das von Ludwig Erhard geprägte Modell der sozialen Marktwirtschaft erheblich in Misskredit gebracht.“ Verdruss an Staat und Demokratie seien die Folge.

Weniger Staat mag Unternehmen kurzfristig nützen – aber sehr schnell kann ein Zuviel an Markt auch die Marktwirtschaft zerstören. Das sei die zentrale Lehre der Kernschmelze an den Finanzmärkten. Wenn mächtige Wirtschaftslobbys dem Staat immer mehr Freiheiten abkämpfen, ist das ein zweifelhafter Sieg. So kämpften die amerikanischen Investmentbanker „mit großem Erfolg“ gegen staatliche Regulierungen. Bofinger: „Heute gibt es keine Investmentbanken mehr.“ Gegen die Krise, so Bofinger, hilft ein steuernder Staat, der sich wieder an eine alte Maxime hält: Wohlstand für alle. Denn: Geht’s uns allen gut, geht es auch der Wirtschaft gut. ROBERT MISIK

Peter Bofinger: „Ist der Markt noch zu retten? Warum wir einen starken Staat brauchen“. Econ, Berlin 2009, 253 S., 19,90 Euro