Jede Menge Gedächtnislücken

TERROR Im NSU-Prozess befragt Richter Götzl den als Waffenbeschaffer angeklagten Ralf Wohlleben

MÜNCHEN taz | Harmlos soll es wirken. Im Streifenhemd sitzt Ralf Wohlleben am Mittwoch im Münchner NSU-Prozess, die Haare sorgsam gescheitelt, auf dem Tisch Gummidrops neben den Akten. Treuherzig blickt er zu Richter Manfred Götzl.

Und genauso äußert er sich auch. Die Kameradschaft Jena, die er in den Neunzigern mit Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bildete? „Nicht großartig politisch.“ Scharfe Waffen und Sprengstoff? „War nie die Rede von.“ Das später untergetauchte Trio? „Ganz normale Freunde.“

Im Dezember hatte sich Wohlleben erstmals zur Anklage geäußert, nach zweieinhalb Jahren Schweigen. Kurz zuvor hatte sich auch die Hauptangeklagte Beate Zschäpe eingelassen. Die Anklage sieht Wohlleben als Beschaffer der Česká-Pistole, mit der der NSU neun Migranten erschoss, und als „Zentralfigur“ aller Helfer der Untergetauchten. Wohlleben bestreitet das: Nicht er, sondern der Mitangeklagte Carsten S. habe die Mordwaffe besorgt. Er habe dem Trio nur kleine Hilfsdienste geleistet.

Nun hakt Richter Manfred Götzl nach – und bringt Wohlleben ins Schwimmen. Wann er denn erfuhr, dass Carsten S. eine Waffe besorgen soll? Wie das Treffen mit S. ablief, als dieser ihm die Waffe zeigte? Was er über den Schalldämpfer dachte? Die Antwort lautet fast immer: Er kann sich kaum erinnern. Götzl bleibt dran, will Details, deutet Zweifel an. „Das habe ich immer noch nicht verstanden“, sagt er wiederholt. Wohlleben aber bleibt bei seiner Version: Zwar habe Böhnhardt auch ihn um eine Waffe gebeten, um sich im Fall eines Polizeizugriffs zu erschießen. Am Suizid „eines Freundes“ habe er aber nicht schuld sein wollen, auch habe er gar keine Ahnung von Waffen.

Dafür lässt der 40-Jährige aufblitzen, wo er politisch steht. Er bekenne sich zu jedem Teil der deutschen Geschichte, sagte er. Andere würden diese ja nur „auf zwölf Jahre reduzieren“. Gemeint ist die NS-Zeit. Er wolle diese Zeit nicht „verteufeln“, aber auch nicht verherrlichen, sagt Wohlleben. Die Aufarbeitung aber verlaufe „einseitig“. So werde etwa die Zahl der Opfer der alliierten Bombenangriffe auf Dresden 1945 „runtergelogen“.

Eine typische Klage der rechtsextremen Szene. Das passt: Wohlleben widmete sein ganzes Leben dieser Szene, brachte es in Thüringen bis zum NPD-Landesvize. Auch daher lässt Götzl nicht locker. Nach fünf Stunden bittet Wohlleben um eine Pause: Ihn plagten Rückenschmerzen. Götzl will nun am Donnerstag weitere Fragen stellen. Es dürften nicht wenige sein. Konrad Litschko