Böse Überraschung im Alter

FISKUS Bei der Auszahlung betrieblicher Altersvorsorge kassiert das Finanzamt ab. Aber die Rechtsprechung ist im Wandel

Liane Lieske blickt hoffnungsvoll nach München, denn beim dortigen Bundesfinanzhof steht für die Hamburgerin eine wichtige Grundsatzentscheidung an – und für andere Millionen auch, die in eine Zusatzrente zur Altersvorsorge eingezahlt haben: In welchem Umfang darf das Finanzamt bei einer Auszahlung der Zusatzrente zuschlagen?

Liane Lieske hat fast zehn Jahre lang 150 Euro ihres Gehaltes über die Baufirma, in der sie angestellt war, in Form von Gehaltsumwandlung in eine Direktversicherung einzahlen lassen. „Diese angesparte Summe sollte die nächsten 20 Jahre meine Reserve sein – meines Erachtens der Sinn von Altersvorsorge“, sagt Lieske.

Doch als sie sich die angesparte Summe von 18.781 Euro auszahlen ließ, kam die böse Überraschung. Das Finanzamt besteuerte die Auszahlung im vollem Umfang, so dass Lieske knapp 3.900 Euro an den Fiskus abtreten musste. „Da ich wegen 40 Prozent Behinderung einen Freibetrag von 430 Euro habe, müssen andere noch mehr zahlen“, rechnet Lieske vor. Die Alternative wäre gewesen, Lieske hätte sich das Geld in Form einer Zusatzrente von 65 Euro pro Monat auszahlen lassen. Nur: Bei einer monatlichen Netto-Rente von 754 Euro hätte sie keine Rücklagen bilden können – „die ich für größere Anschaffungen und für gesellschaftliche Teilhabe brauche“, sagt Lieske. Und auch die Krankenkasse hält die Hand auf, da sie die Auszahlung aus der Altersvorsorge als zusätzliches Einkommen bewertet und Lieske die nächsten zehn Jahre 325 Euro pro Jahr berappen muss. Im Klartext: Von der Zusatzrente von 18.781 Euro blieben nur 11.631 Euro übrig.

Lieske hat Widerspruch gegen den Steuerbescheid eingelegt: „Meiner Meinung nach müsste der verminderte Steuersatz angewendet werden, so wie bei einer Abfindung nach dem Ausscheiden aus einer Firma.“ Eine Klage vor dem Finanzgericht hat sie noch nicht eingereicht. Nach Angaben eines Gerichtssprechers ist beim Finanzgericht Hamburg kein solcher Fall anhängig.

Dennoch kann Lieske Hoffnung schöpfen. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat die bislang gerichtlich noch nicht geklärte Frage zu Gunsten einer Arbeitnehmerin entschieden. Die hatte sich beim Eintritt in den Ruhestand für eine Kapitalauszahlung ihrer betrieblichen Altersversorgung entschieden – und muss diesen Betrag nur ermäßigt versteuern. Die Klägerin war bis 2010 bei einer Bank tätig. Auch sie hatte 2003 mit ihrem Arbeitgeber eine Entgeltumwandlung vereinbart. Dazu wurde zu ihren Gunsten ein Altersvorsorgevertrag mit einer Pensionskasse abgeschlossen, und zur Entrichtung der steuerfreien Beträge Arbeitslohn in die Pensionskasse abgeführt. Mit Eintritt in den Ruhestand erhielt die Klägerin diese betrieblichen Altersversorgungs-Leistungen von 17.000 Euro aus der Pensionskasse als Einmalbetrag ausgezahlt.

Auch hier war das Finanzamt der Auffassung, dass diese Zahlung mit dem vollen Steuersatz zu veranschlagen ist. Dem widersprach die Klägerin und verlangte eine ermäßigte Besteuerung für außerordentliche Einkünfte. Zu Recht, sagt das Finanzgericht Rheinland-Pfalz. Dies sei nicht nur Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, sondern auch mit Rücksicht auf die Neuregelung der Rentenbesteuerung durch das Alterseinkünftegesetz geboten. Es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn man Auszahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der beruflichen Altersversorgung unterschiedlich behandle.

Für Einmal-Kapitalzahlungen aus der Basisversorgung habe der Bundesfinanzhof bereits entschieden, dass sie nicht mit dem vollen Steuersatz besteuert werden müssen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung ließ das Finanzgericht die Revision beim Bundesfinanzhof zu. Das Verfahren läuft noch. Um die Entscheidung zu beflügeln, hat Liane Lieske eine Online-Petition gestartet. Kai von Appen