Flucht

Am Montag wollen die EU-Regierungschefs in Brüssel überihre Flüchtlingspolitik verhandeln. Die Situation ist komplex

Schleuserjäger noch auf dem Trockenen

NATO Der Schiffsverband des Militärbündnisses hat seinen Einsatz in der Ägäis noch nicht begonnen. Es gebe noch einigen Klärungsbedarf mit der Türkei, heißt es im Verteidigungs-ministerium

Es muss noch ­abgeklärt werden, in welchen Hoheitsgewässern die Schiffe operieren dürfen

BERLIN taz | Der Nato-Schiffsverband in der Ägäis kann seinen Anti-Schlepper-Einsatz noch immer nicht starten. Wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Mittwoch mitteilte, reiste der zuständige Marinekommandant Jörg Klein mittlerweile zwar zu Gesprächen nach Ankara, um strittige Punkte mit den türkischen Behörden zu klären und „den Start der Mission vorzubereiten“. Einen Erfolg der Gespräche vermeldete das Ministerium zunächst aber nicht.

Offen bleibt damit auch, ob der Einsatz noch vor dem EU-Türkei-Gipfel am kommenden Montag beginnen kann – obgleich das Verteidigungsministerium beteuert, auf eine Einigung „in den kommenden Tagen“ zu setzen.

Die Nato hatte schon Mitte Februar einen Schiffsverband in die Ägäis geschickt. Unter deutschem Kommando soll er Schlepperaktivitäten zwischen der Türkei und Griechenland aufklären und an die beiden Küstenwachen sowie die EU-Grenzschutzagentur Frontex melden. Diese sollen mithilfe der Informationen Flüchtlingsboote aufbringen und das Meer so für Flüchtlinge abriegeln. Den Plan hatte Angela Merkel vorangetrieben, um die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland zu senken, ohne die Grenzen innerhalb Europas zu schließen.

Schon am Dienstag bestätigte das Verteidigungsministerium allerdings, dass die Schiffe ihren Einsatz noch nicht begonnen haben. Ein Sprecher sagte der taz, bevor die Mission „finalisiert beginnen“ könne, seien noch „letzte Ausplanungen“ nötig. Es müsse noch abgeklärt werden, in welchen Hoheitsgewässern die Schiffe operieren dürften. Außerdem sei unklar, in welchen Fällen die Türkei aufgefischte Flüchtlinge zurücknehme. Wochenlang hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen behauptet, alle aus der Türkei kommenden Flüchtlinge würden „wieder in die Türkei zurückgebracht“. Inzwischen hat das Ministerium eingeräumt, „Rückführungen“ von griechischem Hoheitsgebiet werde es nicht geben. Sowohl die griechische Küstenwache als auch Frontex hätten nur die Möglichkeit, die Flüchtlinge nach Griechenland zu bringen.

Sicher ist derzeit noch nicht einmal, ob die Nato-Schiffe aus Seenot gerettete Schiffbrüchige zurück in die Türkei bringen dürfen, selbst wenn diese in türkischen Gewässern aufgenommen worden seien. In dieser Frage sei „die letzte Klärung noch offen“, heißt es aus dem Ministerium. Laut einem Nato-Diplomaten zeigt die Türkei dazu „keine oder wenig Begeisterung“.

Die Opposition im Bundestag lehnt den Nato-Einsatz so oder so ab. Sie bezweifelt die Rechtmäßigkeit der Mission. „Dass die Nato jetzt die Flüchtlingspolitik der EU militarisiert, ist nicht nur ein Missbrauch der Nato. Solange die Genfer Flüchtlingskonvention von der Türkei noch nicht vollständig ratifiziert ist, sind die Pläne der Bundesregierung auch rechtlich mehr als fragwürdig“, sagte der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin.

Dass sich der Beginn der Mission nun verzögere, hält er für ein Manöver der türkischen Regierung im Vorfeld des EU-Türkei-Gipfels. „Dass sich mit der Türkei weiterhin noch nicht auf die entsprechenden Regelungen verständigt wurde, hat nur einen Grund: Erdoğan will den Preis hochtreiben“, sagte Trittin.

Pascal Beucker

Tobias Schulze

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