Dokumentarfilm „Rabbi Wolff“: Humor, Mut und Tatkraft

Britta Wauers porträtiert im Film „Rabbi Wolff“ den hellwachen 88-jährigen Landesrabbiner von Mecklenburg-Vorpommern.

Ein alter Mann, William Wolff

Der offene und ansteckend fröhliche William Wolff Foto: Salzgeber

In Britta Wauers Film „Im Himmel, unter der Erde“ über den jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee hatte William Wolff schon einen ebenso klugen wie charmanten Gastauftritt, der einiges zum Gelingen des Films beitrug. So entwickelte sich aus dieser Zusammenarbeit die Idee, den Landesrabbiner von Mecklenburg-Vorpommern für ein ganzes Filmporträt zu gewinnen, noch bevor dieser mit fast unglaublichen achtundachtzig Jahren endlich den Unruhestand antrat.

Ein oft leichtfertig, hier aber mit voller Berechtigung benutzter Begriff. Und das nicht nur deshalb, weil der Rabbi immer noch einmal im Monat aus seiner südenglischen Heimat mit Auto, Flugzeug und Zug die jüdischen Gemeinden von Rostock oder Schwerin ansteuert. Weil er mal kurz Freunde in Südafrika oder Jerusalem besucht, oder die Beine wie ein Yogi zum Lotossitz verschnüren kann. So sehr dies alles beeindruckt, ist es doch vor allem Wolffs hellwache, offene und ansteckend fröhliche Persönlichkeit, die jede Assoziation mit Pensionistengemütlichkeit verbietet.

Es ist die bewusst dem individuellen Leben und der kollektiven Geschichte abgerungene Trotzheiterkeit eines jüdischen Jungen, der 1927 als Willy Wolff in Berlin geboren wurde und 1936 mit den Eltern und Geschwistern erst nach Amsterdam und dann nach London vor den Nazis fliehen konnte. Eine einsame Kindheit sei es gewesen, sagt er heute, dazu kam ein überanstrengter, psychisch kranker Vater und eine Krankheit, die ihn selbst im besten Jugendalter für Jahre niederwarf, später der frühe gewaltsame Tod beider Geschwister.

Wolff reagierte mit Humor, Mut und Tatkraft – und schaffte es, beide seiner kindlichen Traumberufe wirklich auszuüben, nacheinander. Erst in London als renommierter Politikjournalist, der öfter auch in Werner Höfers „Internationalem Frühschoppen“ zu Gast war. Dann, mit über 50 Jahren, mit einer vom Ersparten selbst finanzierten Rabbinerausbildung, in deren Folge er nach Stationen in England und der Welt 2002 ausgerechnet im deutschen Osten landete. Und da in den dortigen jüdischen Gemeinden mittlerweile statt Deutsch oder Hebräisch Russisch gesprochen wird, fing er mit weit über siebzig Jahren noch einmal mit dem Sprachenlernen an.

Auch dem weltlichen Leben mit Freude zugetan

Über drei Jahre lang hat Wauer den agilen Rabbi mit der Kamera begleitet: im vollgestopften Häuschen des bekennenden Zeitungsjunkies in Henley-on-Thames. Beim Pendeln und bei der Arbeit in den Gemeinden. Beim Fasten in Bad Pyrmont. Oder mit Zylinder und Damenbegleitung beim Pferderennen von Ascot, das – samt regelmäßigem Wettverlust – ein Fixpunkt in Wolffs Jahresablauf ist.

Auch sonst ist der liberale Rabbiner neben dem spirituellen auch dem weltlichen Leben mit Freude zugetan und hat neben einer weitverzweigten (und zum Teil ultraorthodoxen) Familie auch einen großen Freundeskreis. Nur – und das schmerzt ihn – ist es ihm in all den Jahrzehnten nicht gelungen, selbst eine Familie zu gründen und so das biblische Gebot der Fruchtbarkeit zu erfüllen.

Dabei ist der Rabbi von zugewandten, oft jüngeren Frauen umzingelt, mit denen er wie ein kleiner Junge kichernd in der Ecke steht. Das trägt zur durchweg positiven Grundstimmung des Films bei, die von dem manchmal arg munteren, doch im Vergleich zu „Im Himmel, unter der Erde“ deutlich verschlankten Soundtrack des Filmkomponisten Karim Sebastian Elias auch musikalisch geschürt wird. Dabei hat der so bescheidene wie quirlige kleingebückte Mann mit dem verschmitzten Lächeln auch ohne Unterstützung das Zeug zum inspirierenden Alleinunterhalter, der sogar Agnostikern Lust auf Gott machen kann.

„Rabbi Wolff“. Regie: Britta Wauer. Deutschland 2016, 95 Min.

Britta Wauer: „Rabbi Wolff und die Dinge des Lebens. Erinnerungen und Einsichten“. Hentrich & Hentrich Verlag, Berlin 2016, 118 Seiten, 12,90 €

Parallel zum Film erscheint auch ein Buch, das viele von den Geschichten und Erlebnissen versammelt, die im Film keinen Platz finden konnten. Schade, dass die dort zu findenden Überlegungen Wolffs zu den Nazi-Umtrieben in Meck-Pomm nicht den Weg in den Film gefunden haben und eine gefühlte Lücke lassen. Selbstverständlich lässt es sich William Wolff nicht nehmen, zur Premiere von Film und Buch persönlich nach Berlin zu reisen.

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