Urlaubs- und Weihnachtsgeldauch für Mindestlöhner?

Lohnuntergrenze Bundesarbeitsgericht fragt sich, ob Sonderzahlungen verrechnet werden dürfen

ERFURT/BERLIN dpa | Knapp eineinhalb Jahre nach der Mindestlohneinführung wird das erste Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu der Lohnuntergrenze erwartet. Die höchsten deutschen Arbeitsrichter beschäftigen sich am Mittwoch mit der Frage, ob Arbeitgeber Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld anrechnen dürfen, um den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde zu erreichen. Der Präzedenzfall komme aus Brandenburg, sagte eine Sprecherin des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt.

Die Klägerin sei der Meinung, ihr stünden die vereinbarten Sonderzahlungen zusätzlich zum Mindestlohn zu. Zudem wolle sie die Berechnungsgrundlage für Mehrarbeits- oder Nachtzuschläge klären lassen. Damit gehe es um zwei Grundsatzfragen, die beim Mindestlohn immer wieder eine Rolle spielten, sagte die Gerichtssprecherin.

Vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg war die Klägerin im Januar 2016 gescheitert. Sie ist Angestellte einer Klinik-Servicegesellschaft in Brandenburg und in einer Cafeteria beschäftigt. In ihrem Arbeitsvertrag sind nach Angaben des Landesarbeitsgerichts Sonderzahlungen von zwei halben Monatsentgelten vereinbart. Nach einer Betriebsvereinbarung erfolge die Zahlung über zwölf Monate verteilt.

Das Landesarbeitsgericht entschied, bei den Sonderzahlungen handele es sich im konkreten Fall um ein Entgelt für die normale Arbeitsleistung. Deshalb sei eine Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohn möglich. Die Richter ließen wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls Revision beim Bundesarbeitsgericht zu.

Nach Einschätzung von BAG-Präsidentin Ingrid Schmidt geht es bei Mindestlohnstreitigkeiten kaum um die gesetzlich vorgeschriebenen 8,50 Euro pro Stunde. Strittig seien eher die Streichung oder die Anrechnung von Sonderzahlungen, sagte sie bei der Vorlage der Jahresbilanz des Gerichts. In diesem Jahr will sich das Bundesarbeitsgericht am Fall eines Rettungsassistenten auch noch mit dem Mindestlohnanspruch bei der Vergütung von Bereitschaftszeiten beschäftigen.