Sexualstrafrecht

Der Bundestag hat den Satz "Nein heißt Nein" endlich im Gesetz verankert. Daran geknüpft ist auch ein neues Abschieberecht

Tausche Frauenrechte gegen Ausländerrecht

Politik Sexuelle Belästigung wird künftig schneller bestraft. Dafür sollen straffällige Migranten einfacher abgeschoben werden

In Irland liegt eine Vergewaltigung vor, wenn ein Mann mit einer Frau Verkehr hat, obwohl sie damit nicht einverstanden ist. Das gilt auch bei fehlendem aktiven Widerstand.

In Schweden ist Nötigung Voraussetzung für eine Vergewaltigung. Diese umfasst etwa auch Einschüchterung.

In Indien gilt jeder Akt der Penetration als Vergewaltigung, der gegen den Willen der Frau geschieht. In der Ehe ist er jedoch kein Straftatbestand. Vergewaltigung ist in Indien die vierthäufigste Straftat gegen Frauen.

In den USA gilt als Vergewaltigung jede Penetration, die gegen den Willen des Opfers geschieht. Allerdings hat jeder Bundesstaat ein eigenes Gesetz. In Kalifornien gilt seit 2014 „Yes means Yes“ für Studierende an staatlichen Universitäten. (dir)

BERLIN taz | Das war eindeutig: Von 599 anwesenden Bundestagsabgeordneten stimmte am Donnerstag keiner gegen ein schärferes Sexualstrafrecht. Künftig sollen Täter bestraft werden, wenn sie jemanden sexuell bedrängen und dessen klar geäußerte Ablehnung missachten. Ganz egal, ob das Opfer Nein sagt, seine Abneigung mit Gesten verdeutlicht oder weint.

Bestrafen will man auch das sogenannte Grapschen, das unerlaubte Greifen an Brust, Hintern und Genitalien. Neu ist das Delikt „Straftaten aus Gruppen“: wenn jemand in einer Gruppe andere umzingelt, um sexuelle Übergriffe zu begehen.

So klar war das im Sexualstrafrecht bis jetzt nicht geregelt. Einen „Paradigmenwechsel“ nannte die SPD-Vizefraktionschefin Eva Högl daher die Gesetzesreform. Obwohl ein klares Ja zum „Nein heißt Nein“-Prinzip zu erwarten war, entzündete sich die Debatte vor allem an einer erst vor drei Tagen bekannt gewordenen Änderung, die das Aufenthaltsrecht für MigrantInnen verschärft.

Wer künftig wegen eines „sexuellen Übergriffs“ zu einer Strafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, dürfte in der Regel sein Aufenthaltsrecht verlieren. Deswegen enthielten sich Grüne und Linke bei der Abstimmung über den gesamten Entwurf, obwohl sie dem Grundsatz „Nein heißt Nein“ zugestimmt hatten.

„Damit torpedieren Sie das Ausländerrecht und instrumentalisieren Frauenrechte“, kritisierte Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Links-Fraktion. Katja Keul von den Grünen nannte die Änderung „schlicht unverhältnismäßig“. Halina Waw­zyniak, rechtspolitische Sprecherin der Links-Fraktion, reagierte drastisch: „Das widert mich an.“

Hitzig debattiert wurde auch der „Gruppen“-Passus. Renate Künast erregte er so sehr, dass sie eine Zwischenfrage stellte: „Wie soll man sich von einem Delikt innerhalb einer Gruppe distanzieren, das man nicht einmal merkt?“

Auf die „Straftaten aus Gruppen“ und schärfere Auswirkungen auf das Aufenthaltsrecht hatte vor allem die Union bestanden – als Reaktion auf die Ereignisse in der Kölner Silvesternacht. Damals wurden Frauen massenhaft von überwiegend migrantischen Männern umzingelt, bestohlen und sexuell belästigt.

Eher amüsant war am Donnerstag die Schlacht um Deutungshoheit: Welche Partei hat zuerst „Nein heißt Nein“ gefordert? Waren es die Grünen, wie Katja Keul von den Grünen sagte? Oder die Linkspartei? Das Gesetz ist insbesondere der Union zu verdanken, behauptete hingegen Elisabeth Winkelmeier-Becker, rechtspolitische Sprecherin der Unions-Fraktion. Eva Högl von der SPD beanspruchte das für ihre Partei. Die Union hätte die Reform lange blockiert, jetzt habe sie sich „von uns überzeugen lassen“. Am Ende dürfte das alles egal sein.

Wird es nun leichter, Sexualstraftäter zu bestrafen? Die Beweislage bleibt nach wie vor schwierig: Wie kann ein Opfer beweisen, dass es ausdrücklich Nein gesagt hat? Auch künftig wird häufig Aussage gegen Aussage stehen. Nicht zuletzt deshalb forderte Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen, „bestmöglichen Opferschutz“: anonyme Beweissicherung, sensibilisierte PolizistInnen und StaatsanwältInnen sowie die Pille danach.

Simone Schmollack