Und sie schweigt wieder

Terror Nochmals äußert sich Beate Zschäpe im NSU-Prozess – und lehnt es ab, Fragen der Opferfamilien zu beantworten. Deren Anwälte sind entrüstet

Beate Zschäpe vor dem Oberlandesgericht München Foto: Peter Kneffel/dpa

Aus München Konrad Litschko

Die Familien der NSU-Opfer hatten noch einmal gehofft. Viele ihrer Fragen sind, trotz dreieinhalb Jahren Prozesses in München, bis heute offen. Die drängendste: Warum ermordeten die Rechtsterroristen gerade meinen Mann, meinen Vater, meine Tochter? Nun wollte sich Beate Zschäpe am Mittwoch doch noch zu den Fragen der Angehörigen äußern.

Im Juli hatten die Opferanwälte rund 300 Fragen an Zschä­pe gestellt, über Stunden dauerte die Verlesung an. Wer waren Helfer an den Tatorten? Gibt es weitere Taten? Existieren noch versteckte Gelddepots?

Am Mittag nun greift Zschäpes Anwalt Mathias Grasel zum Mikro. Kurz beantwortet er noch offene Detailfragen des Mitangeklagten Carsten S., dann verliest er fast nebenbei im Namen Zschäpes: „Die Fragen der Nebenklage beantworte ich nicht.“

Es ist Zschäpes Recht zu schweigen – aber viele der Familien werden diesen Satz als Affront aufnehmen. Im Dezember, als sich Zschäpe nach jahrelangem Schweigen das erste Mal im Prozess einließ, hatte sie noch erklärt, sie entschuldige sich „aufrichtig bei allen Opfern und Angehörigen der Opfer der von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begangenen Straftaten“.

Schon damals aber kündigte sie an: Die Fragen der Angehörigen werde sie nicht beantworten, nur die des Gerichts.

Und: Die zehn Morde und zwei Anschläge des NSU gingen alle auf das Konto von Mundlos und Böhnhardt. Sie habe immer erst im Nachhinein davon er­fahren und diese verurteilt. Dass Zschäpe die Fragen der Opfer nun final zurückweist, sorgt unter deren Anwälten für Kopfschütteln. „Was ist unter diesen Umständen eine Entschuldigung wert?“, fragt Mehmet Daimagüler, Vertreter der Familien der Nürnberger Opfer Abdurrahim Özüdoğru und Ismail Yaşar. „Frau Zschäpe hat das Recht zu schweigen. Meine Mandanten haben das Recht, ihre Entschuldigung nicht anzunehmen.“

Auch Sebastian Scharmer, Anwalt der Tochter des in Dortmund erschossenen Mehmet Kubasik, sagt: „Wir haben alles versucht.“ Zschäpe habe die Chance gehabt, ihre „nicht ansatzweise glaubhafte“ Aussage zu korrigieren und doch noch für Aufklärung zu sorgen.

Antworten zu verweigern, sei „auch ein Statement“, sagt ein Opferanwalt

Dies zu verweigern, so Scharmer, „auch das ist ein Statement“.

Den NSU-Prozess indes könnte die Haltung Zschäpes nun beschleunigen. In den vergangenen Monaten hatte sich ein zähes Pingpongspiel mit den Richtern entwickelt. Nach Zschä­pes erster Aussage beantwortete sie Nachfragen erst nach wochenlanger Beratung mit ihren Anwälten – und immer nur schriftlich. Ergaben sich daraus neue Fragen, dauerte es wieder Wochen. Der Prozess verzögerte sich weiter und weiter.

Inzwischen hat der Senat die Prozesstermine vorsorglich bis September 2017 verlängert. Und ganz ist das Frage-Antwort-Prozedere nicht vorbei. Denn Zschäpes Anwalt Grasel sagte am Mittwoch auch: Sollten die Richter Fragen der Opferanwälte übernehmen, werde Zschäpe diese doch beantworten. Ob der Senat dies tut, ließ er vorerst offen.

Einige der Nebenkläger haben längst resigniert. Thomas Bliwier, Vertreter der Familie des in Kassel ermordeten Halit Yozgat, stellte schon im Juli keine Frage an Zschäpe mehr. „Sie ist offenkundig in keiner Weise bereit, den Sachverhalt aufzuklären“, so Bliwier. „Die Konsequenzen wird sie tragen müssen.“